Agrarforschung
Entwicklung neuer und Überprüfung sowie Weiterentwicklung vorläufiger Qualitatsnormen für Nutzarthropoden
Landesanstalt für Pflanzenschutz, Stuttgart
R. Albert, R. Mayer, E. El Sharnoubi
Juni 1995 bis März 1997
(hier: Zwischenbericht)
Problemstellung
Die biologische Bekämpfung von Schädlingen mit tierischen Nützlingen gewinnt zunehmende Bedeutung im Unterglasanbau von Gemüse und Zierpflanzen in Baden-Württemberg. Standards wie DIN- oder ISO-Normen für Liefermengen und Qualität der Nützlinge, die von den verschiedenen Nützlingsproduzenten verkauft werden, gibt es bisher nicht.
Ziel
Eine internationale Arbeitsgruppe der IOBC/WPRS (Internationale Organisation für biologische Schädlingsbekämpfung / westpaläarktische Sektion) befaßt sich seit Anfang der '90er Jahre mit der Entwicklung von Qualitäts- und Quantitätskontrollen verkaufsfertiger Nützlinge im Nützlingszuchtbetrieb. Ziel der Untersuchungsverfahren ist es, dem Landwirt oder dem Gärtner einen Qualitätsstandard bei der Nützlingslieferung zu garantieren.
Im Interesse der baden-württembergischen Produzenten muß dafür Sorge getragen werden, daß die Arbeitsgruppe nicht Verfahren entwickelt, die die deutschen Firmen in der täglichen Praxis der Nützlingsvermehrung überfordern würden.
Untersuchungsmethode
Insgesamt wurden von der Arbeitsgruppe jeweils mehrere verschiedene Qualitätstests für 17 Nützlingsarten oder -gattungen entwickelt und im Rahmen einer IOBC-Tagung den beteiligten Nützlingsproduzenten Aufgaben zur Erprobung und Weiterentwicklung der Verfahren an einzelnen von ihnen vermehrten Arten übertragen. Mit der Überprüfung und Weiterentwicklung vorläufiger Qualitätsnormen für die Florfliege Chrysoperla carnea und die Raubmilbenarten Amblyseius cucumeris, Amblyseius barkeri und Phytoseiulus persimilis sowie die Schlupfwespe Encarsia formosa wurde begonnen. Mit jeder Nützlingsart wurden verschiedene Tests durchgeführt. Hierbei ist es wichtig, diese vorläufigen Richtlinien in der täglichen Praxis im Nützlingszuchtbetrieb zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern oder den Bedingungen im Zuchtbetrieb anzupassen.
Unterschiedliche Extraktions- und Auszählmethoden für die quantitative Erfassung des versandtfertigen Materials wurden von der IOBC-Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Zur Erfassung der Qualität waren bei den einzelnen Arten jeweils unterschiedliche Testverfahren entwickelt worden, die überprüft wurden.
Ergebnisse
Amblyseius cucumeris:
Die von der IOBC-Arbeitsgruppe vorgeschlagene Extraktions- und Auszählmethode für die Raubmilben, die in einem Kleiegemisch ausgeliefert werden, erwies sich als umständlich und sehr ungenau. Ein Durchspülen des Kleiematerials mit kaltem Wasser führte zu Verklumpungen. Die anschließende Abtötung der Raubmilben mit heißem Wasser führte zu starken Beschädigungen.
Eine Extraktion im trockenen Zustand erbrachte höhere Raubmilbenzahlen und war leichter und weniger zeitaufwendig durchzuführen als die oben beschreibene Wasserextrakton.
Chrysoperla carnea:
Zur Bestimmung der Schlupfrate mußte eine eigenständige Methode entwickelt werden. Hierzu wurde 96 Florfliegeneier plus Futter in die 96 Öffnungen einer "Microtiterplatte" der Firma Greiner eingefüllt. Nach fünf Tagen kann dann die Schlupfrate der Florfliegeneier ermittelt werden. Mit diesem Test war es auch möglich, die Entwicklungsrate der einzelnen Larvalstadien zu ermitteln.
Die Schlupfrate von Chrysoperla carnea-Eiern betrug in Mikrotiter-Platten 90,9 %. Die Metamorphose von der L1 zur L2 durchliefen 82,5 % und von der L2 zur L3 91,9 % der Tiere. Die gefundenen Schlupfraten und der Prozentsatz der überlebenden Larven aus der Produktion der Firma Sautter & Stepper liegt weit über dem von der IOBC-Arbeitsgruppe geforderen 65 %.
Der von der IOBC-Arbeitsgruppe vorgeschlagene Test zum Fraßpotential mußte ebenfalls stark verändert werden. Nur jüngere Blattläuse, die während des fünftägigen Tests sich nicht mehr vermehrten, konnten verwendet werden.
Durchschnittliche Anzahl von einer Florfliegenlarve (L2-Stadium) auf einem Paprikablatt innerhalb von fünf Tagen vertilgte Blattläuse (Myzus persicae).
Auch ein Verfahren zur exakten Quantitätskontrolle der Florfliegenlarven in der "MC 500"-Versandeinheit der Firma Sautter & Stepper GmbH wurde entwickelt. Die hier ermittelten Durchschnittswerte dienen als Grundlage für die Erstellung eines IOBC-Standards.
Phytoseiulus persimilis:
Versuche zur Fruchtbarkeit, die gleichzeitig Daten zur Lebensdauer der Raubmilben lieferten, konnten gemäß des IOBC-Vorschlags durchgeführt werden.
Encarsia formosa:
Im Rahmen der Untersuchungen für die IOBC-Arbeitsgruppe wurden an dem Testobjekt Encarsia formosa Schlupfrate und Körpergröße der Adulten untersucht. Außerdem wurde ein Flugtest durchgeführt und zusätzlich die Schlüpfrhythmik bestimmt.
Der ermittelte Wert von 0,270 mm für die durchschnittliche Kopfkapselbreite der Weibchen von Encarsia formosa unterscheidet sich nicht signifikant von dem von der IOBC-Arbeitsgruppe geforderten Wert von 0,28 mm.
Der Flugtest von Encarsia formosa, wie er von der Arbeitgruppe vorgeschlagen wurde, erbrachte keine eindeutigen Ergebnisse. Mehrere neue Varianten des Flugtests mußten konzipiert und weitere Versuche durchgeführt werden.
Es zeigte sich, daß die Anzahl der gefangenen Schlupfwespen aus den zusätzlichen Flugtests etwa der Summe der Schlupfwespen aus der 4 mm-Zone plus den Schlupfwespen der restlichen Glasplatte aus der IOBC-Versuchsanordnung entsprach.
Somit wird deutlich, daß die IOBC-Richtlinie dahingehend abgeändert werden muß, daß der gesamte Zylinder mit Repellent bestrichen werden muß, um zu gewährleisten, daß tatsächlich alle "Flieger" erfaßt werden.
Konsequenzen für die Praxis
Einige der Qualitätstests konnten verbessert und vereinfacht werden, so daß die Nützlingsproduzenten in Zukunft, wenn die Tests als Standard eingeführt werden, mit einer geringeren Belastung rechnen können. Durch die Vereinfachungen konnten einige überzogene Vorstellungen ausländischer Nützlingsproduzenten auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.
Die LfP-Arbeitsgruppe ist in der IOBC-Arbeitsgruppe voll integriert. Die von ihr gemachten Verbesserungsvorschläge, die vorgetragenen Versuchsergebnisse und Vereinfachungen wurden von der IOBC-Arbeitsgruppe akzeptiert und vollständig in die vor kurzem aktualisierten Richtlinien übernommen.
Die zeitliche und finanzielle Belastung für die Nützlingsproduzenten durch die Tests läßt sich erst exakt bestimmen, wenn alle Testverfahren endgültig formuliert sein werden. Die Tests werden im Rahmen der IOBC-Arbeitsgruppe bei vielen Beteiligten noch weiter geführt und es wird nach weiteren Vereinfachungen und Rationalisierungsmöglichkeiten gesucht.
Die Firma Sautter & Stepper hat jetzt schon alle quantitativen Testverfahren in ihr Arbeitsprogramm übernommen und plant, unabhängig von zukünftigen EU-Regelungen schon bald auch die qualitativen Testverfahren zum festen Bestandteil ihres Qualitätssicherungsprozesses zu machen.
Dem Anwender der Nützlinge soll mit diesen Tests die Gewähr gegeben werden, die auf der Versandpackung angegebenen Nützlingsmengen in bester Qualität zu erhalten.
Literatur: Zwischenbericht 1995
Fördernde Institution:MLR |
Förderkennzeichen:23 - 95 . 25 |