Agrarforschung
Absatzstrategie für heimisches Gemüse für das Jahr 2000
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume Schwäbisch Gmünd
Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde
Richard Riester, Alfred Pfister und Ernst Berg
Mai 1995 - November 1996
Problemstellung
Der baden-württembergische Frischgemüsemarkt ist dadurch gekennzeichnet, daß der größte Teil des Frischgemüsebedarfs durch Zufuhren aus anderen deutschen Regionen sowie aus den europäischen Nachbarländern gedeckt wird. Die baden-württembergischen Frischgemüseerzeuger stehen auf dem Absatzmarkt in Baden-Württemberg daher in der entsprechenden Wettbewerbssituation.
Die Wettbewerbssituation ist weiterhin dadurch geprägt, daß im deutschen Lebensmittelhandel eine starke Konzentration auf der Abnehmerseite stattfindet und die Entwicklungen in der Discountschiene die Wettbewerbssituation im gesamten Lebensmittelhandel bestimmt.
Um unter diesen Rahmenbedingungen langfristig als Lieferant von Frischgemüse bestehen zu können, ist es notwendig, die Veränderungen und die daraus resultierenden Anforderungen zu erkennen, um den Vermarktungserfolg rechtzeitig mit geeigneten Strategien sicherzustellen.
Ziel
Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Verbesserung und Sicherung des Absatzes von heimischem Frischgemüse. Dies galt insbesondere für den Absatz von Gemüse über den Lebensmittel-einzelhandel, da durch die hier stattfindenden Veränderungen angepaßte Produktions- und Absatzstrategien erforderlich werden. Die im Forschungsprojekt erarbeiteten Ergebnisse sollten dann unmittelbar zu konkreten Projekten für eine engere Kooperation zwischen Erzeugung und Lebensmittelhandel führen.
Untersuchungsmethode
In einer Feldanalyse wurde die derzeitige Situation der Erzeugung und der Vermarktung aufgearbeitet. Dazu wurde einerseits die vorhandene Fachliteratur und Primärstatistik ausgewertet. Daneben konnten über Expertengespräche, Fachvorträge und Exkursionen wichtige Einblicke gewonnen werden. Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stand eine Befragung der an der Erzeugung und Vermarktung von Frischgemüse beteiligten Marktpartner mit Hilfe eines Interviewleitfadens. Hierbei wurden Gemüseerzeuger, Verantwortliche der Erzeugerorganisationen für den Bereich Gemüsevermarktung, Vertreter des Gemüsefachgroßhandels und die für den Gemüseeinkauf Zuständigen des Lebensmittelhandels befragt.
Aufbauend auf den Informationen und Ergebnissen der Feldanalyse wurden anschließend generelle Anforderungen an einen Absatz über den Lebensmittelhandel abgeleitet. Schließlich wurde daraus ein Denkansatz entwickelt, der die zu regelnden Kernelemente für funktionierende Kooperationen zwischen Gemüseerzeugern, Absatzmittlern und dem Lebensmittelhandel darlegt.
Ergebnisse der Feldanalyse
Die Anzahl der Gemüse erzeugenden Betriebe in Baden-Württemberg hat sich seit 1982 um fast 40 % verringert. Da gleichzeitig die Gemüsefläche um 28 % ausgedehnt wurde, stieg die durchschnittliche Gemüsefläche je Betrieb deutlich an. Dennoch hängt die Betriebsstruktur der Gemüse erzeugenden Betriebe im nationalen und internationalen Vergleich weit zurück.
Die Hauptabsatzwege der baden-württem-bergischen Produzenten haben sich im letzten Jahrzehnt bei Gemüse völlig anders entwickelt als bei Obst. In der Obstvermarktung nahm die Bedeutung der Erzeugerorganisationen weiter zu. Trotz der sinkenden Anzahl von Obstbaubetrieben, stieg die Zahl der hauptsächlich über Erzeugerorganisationen vermarktenden Betriebe an. In der Gemüsevermarktung nimmt die Zahl der Betriebe, die über Erzeugerorganisationen vermarkten, stark ab. Damit einher geht in der Frischgemüsevermarktung die steigende Anzahl der Betriebe, die ihre Erzeugung selbst an den Groß- und Einzelhandel vermarktet. Dies hat ein stark zersplittertes Angebot zur Folge.
Andererseits kann die in Baden-Württemberg erzeugte Frischgemüsemenge nicht ohne den organisierten Lebensmitteleinzelhandel vermarktet werden.
Im Hinblick auf die zukünftigen Anpassungsreaktionen an die Veränderungen auf dem Gemüsemarkt wurde bei den Gemüseerzeugern ein heterogenes Bild festgestellt. Ihr eigentliches Aufgabenfeld sehen die meisten Erzeuger in der Anbau- und Produktionstechnik. Bezüglich der erforderlichen und immer bedeutender werdenden Dienstleistungen im Vermarktungsbereich werden einerseits Vermarktungspartner gesucht, andererseits besteht ein Mißtrauen im Hinblick auf partnerschaftliche Kooperationen.
Alle Erzeugerorganisationen vermarkten an den Lebensmittelhandel, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Der Absatz über diese Schiene wird bisher fast durchweg in einem gegenseitigen Preiswettbewerb ausgetragen. Als Wettbewerber werden von den Erzeugerorganisationen weniger die Importeure, als vielmehr die selbstvermarktenden Erzeuger und andere deutsche Erzeugerorganisationen gesehen.
Der Gemüsefachgroßhandel steht im Wettbewerb mit den Direktbezügen des Lebensmitteleinzelhandels in den Anbaugebieten (insbesondere ausländische Ware) sowie dem Bestreben der heimischen Erzeugerorganisationen und der selbstvermarktenden Erzeuger, verstärkt den Lebensmittelhandel direkt zu beliefern. Andererseits hat sich der Gemüsefachgroßhandel in den letzten Jahren durch die Bereitschaft zu speziellen Dienstleistungen, schnellen Entscheidungen und somit einer hohen Flexibilität mit entsprechendem "know how" ausgezeichnet.
Die Situation des Lebensmittelhandels wird durch den scharfen Wettbewerbsdruck und insbesondere der Entwicklung im Discountsektor geprägt. Der dabei stattfindende Kampf um Marktanteile erfolgt in der Regel über den Preis, zum Teil auch über die Positionierung im sich polarisierenden Nahrungsmittelmarkt.
Folgerungen
Ein Teil des Lebensmittelhandels, der traditionelle Lebensmittelhandel, versucht sich derzeit dem scharfen und über den Preis ausgetragenen Wettbewerb zu entziehen. Hierzu rückt der Warenbereich Frischgemüse in den Vordergrund, da dieser beim Verbraucher eine besonders positive Wertschätzung genießt. Da bei den Verbrauchern gleichzeitig ein Trend zu Produkten regionaler Herkunft vorhanden ist, besteht für die heimische Erzeugung und Vermarktung von Frischgemüse die Möglichkeit, sich gezielt auf dieses Marktsegment auszurichten. Dazu sind allerdings besondere Leistungen im Bereich der Dienstleistungen und der Schaffung von Zusatznutzen notwendig.
Grundvoraussetzung für einen längerfristig ausgerichteten Absatz über den Lebensmittelhandel ist eine kontinuierliche Belieferung mit entsprechend großen Mengen von gleichbleibenden Qualitäten bei sehr genauen Sortierungen. Diese Anforderungen erfüllen die baden-württembergischen Frischgemüseerzeuger und -vermarkter derzeit allenfalls partiell. Der dadurch bedingte Wettbewerbsrückstand erweist sich als großes Hindernis beim Absatz über den Lebensmittelhandel, zumal in konkurrierenden Anbauregionen Europas große Anstrengungen unternommen wurden und werden, um den Anforderungen des Lebensmittelhandels gerecht zu werden.
Um die sich bietenden Chancen v.a. im Hinblick auf den traditionellen Lebensmittelhandel zu nutzen, muß deshalb die Praxis der derzeitigen Frischgemüsevermarktung in Baden-Württemberg überdacht werden. Notwendig sind z.B. Kooperationen zwischen den einzelnen Erzeugerorganisationen oder mit dem Gemüsefachgroßhandel bei gleichzeitiger Spezialisierung der einzelnen Erzeugerorganisationen (wie in Ansätzen oder Teilbereichen bereits zu beobachten). Die einzelnen Formen der Spezialisierung (z.B. Produkt- oder Vermarktungsspezialisierung) sind im konkreten Fall zu diskutieren.
Über die Angebotszusammenfassung hinaus müssen Absatzstrategien entwickelt werden, die klar und eindeutig auf den jeweiligen Abnehmer ausgerichtet sein müssen. Sie sind so zu gestalten, daß sie dynamisch und flexibel auf die zu erwartenden weiteren Veränderungen im Lebensmittelhandel anzupassen sind.
Partnerschaftliche Kooperationen zwischen Gemüseerzeugern, -vermarktern und dem Lebensmittelhandel können nur dann erfolgreich und damit auf Dauer angelegt sein, wenn allen beteiligten Partnern die besonderen Anforderungen von solchen Kooperationen bewußt sind und in entsprechendes Handeln umgesetzt werden. Die zu regelnden Kernelemente für solche Kooperationen sind in einem modellhaften Denkansatz dargelegt und näher beschrieben.
Konsequenzen für die Praxis
Während der Projektphase wurden Projektmitarbeiter an bereits angelaufenen Initiativen zur Verbesserung des Absatzes von Frischgemüse an den Lebensmittelhandel miteinbezogen. Dies hatte den Vorteil, daß die dort gewonnenen Erkenntnisse in den Denkansatz einfließen konnten.
Andererseits konnte festgestellt werden, wie weit in Baden-Württemberg die Bereitschaft bzw. die Möglichkeiten für solche partnerschaftlichen Kooperationen mit allen Konsequenzen vorhanden sind. Dabei mußte festgestellt werden, daß sehr unterschiedliche Gründe, insbesondere jedoch die fehlende Bereitschaft zur Kooperation von Teilen der baden-württembergischen Frischgemüseerzeugung und -vermarktung, das Zustandekommen echter Kooperationen bisher nicht zuließen.
Für die Zukunft bedeutet dies, daß weitere Initiativen für partnerschaftliche Kooperationen zwischen Frischgemüseerzeugnung, -vermarktung und Lebensmittelhandel notwendig sind. Dabei muß eine Zusammenarbeit (analog dem Denkansatz) frühzeitig bis ins Detail geplant und die Einhaltung der abgesprochenen Maßnahmen unbedingt gesichert werden.
Anpassungen in der Gemüsevermarktung werden auch durch die reformierte Marktorganisation für Obst und Gemüse notwendig, denn sie trägt in ihrer Zielsetzung und ihren Förderinstrumenten verstärkt den Erfordernissen des Marktes Rechnung.
Literatur: Abschlußbericht, Dezember 1996
Fördernde Institution: MLR |
Förderkennzeichen: 33 - 95 . 15 |