Navigation überspringen

Agrarforschung

Versuch zur Etablierung von Extensiv-Grünland unmittelbar
nach langjähriger Ackerphase

Dr. Gottfried Briemle, LVVG, 1985-1990

Problemstellung

Die "Neukonzeption zur Bewirtschaftung der Staatsdomänen", welche von der baden-württem-bergischen Landesregierung im Jahre 1985 als "Domänenkonzept" beschlossen wurde, war Anlaß für ein gemeinsames Projekt der Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) Karlsruhe und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung und Grünlandwirtschaft (LVVG) Aulendorf. Es galt unter anderem, einen Plan zur "Biotopvernetzung Weißenhof", bei dem langjähriges Ackerland in Extensiv-Grünland umgewandelt werden sollte, wissenschaftlich zu begleiten. Die Staatsdomäne Weißenhof bei Weinsberg liegt im Landkreis Heilbronn.

Ziel

Die Beweggründe für die Flächenumwandlung waren unter anderem:

  • Gesamtökologische Aufwertung der intensiv genutzten und stark belasteten Landschaft unmittelbar am Autobahnkreuz Weinsberg mit: Verbesserung des Klima- und Wasserhaushaltes, des Lebensraumangebotes für Pflanzen und Tiere sowie Förderung der Selbstregulierungs- und Ausgleichsfunktionen.
  • Verbesserung der Erholungs- und Erlebniswirkung als Beitrag zur Therapie des dortigen Psychiatrischen Landeskrankenhauses (PLK).
  • Verbesserung des Angebotes an Futterflächen für die Versorgung von Reiterhöfen in der Umgebung mit adäquatem Futter.

Ein wesentliches Anliegen des Naturschutzes war es, nicht nur vorhandenes Altgrünland zu extensivieren, sondern auch neu anzusäende Wiesen von Anfang an extensiv zu nutzen und zwar mit folgender Zielsetzung:

  • Förderung von Entwicklungsmöglichkeiten für seltenere Pflanzen und Tiere und deren Dokumentation.
  • Aufbau von biologisch aktiven und vernetzenden Strukturen zwischen den naturnahen Land-schaftselementen / Biotopen.
  • Schaffung von Pufferzonen zwischen den Gewässern und benachbarten, intensiveren Nutzungsformen.
Untersuchungsmethode

Zwischen dem Flüsschen Sulm und dem Weißenhofbach (Gewann "Weißenhofwiesen") wurde im Frühsommer 1985 eine zusammenhängende Auefläche von ca. 16 Hektar mit einer standardisierten Dauergrünlandmischung eingesät. Anschließend wurden 4 Beobachtungsflächen in Form von 25 m² großen Dauerquadraten (DQ) ausgepflockt. Ziel dieser Maßnahme war es, die Vegetationsentwicklung unter der geplanten Nutzungsweise mit geeigneten quantitativen Methoden zu verfolgen und zu dokumentieren. Die in früheren Zeiten schon einmal als Grünland genutzten "Weißenhofwiesen" - die Ackerphase dauerte etwa 15 Jahre – wurde in 4 Bereiche mit jeweils unterschiedlichem Mähregime eingeteilt und nach abnehmender Nutzungs- bzw. Pflegeintensität gestaffelt. Dafür wurden u.a. auch faunistische, vor allem entomologische Überlegungen herangezogen.

Versuchsvarianten

Mähen 1 bis 2 mal jährlich (je nach witterungsbedingter Wüchsigkeit des Pflanzenbestandes Ende Juni und Anfang September) mit Abräumen; keine Düngung (DQ 1).

Mähen 1 mal jährlich (Ende Juni mit Abräumen des Mähgutes; keine Düngung (DQ 3).

Grünlandbrache mit Mahd der vorjährigen Streu im Winter mit dem Ziel, das Austriebvermögen für konkurrenzschwächere Pflanzenarten zu erleichtern und um einen kleinen ausmagernden Effekt zu erzielen (DQ 2).

Grünland-Dauerbrache (DQ 4). – Von "ungestörter Sukzession" konnte bei der relativ kurzen Laufzeit dieses Projektes nicht gesprochen werden.

Zur Ansaat kam folgende Dauergrünlandmischung:

 

Wiesenschwingen 16kg/ha 40%

Ausläufer-Rotschwingel 6kg/ha 15%

Deutsches Weidelgras 6kg/ha 15%

Wiesenrispe 5kg/ha 12%

Wiesenlieschgras 5kg/ha 12%

Weißklee 2kg/ha 5%

Hornschotenklee 0,5kg/ha 1%

Summe 40kg/ha 100%

Zusätzlich zu diesen 4 Dauerquadraten wurde im Gewann "Mühlwiesen" auf Altgrünland eine weitere Beobachtungsfläche (zum Vergleich) eingerichtet. Auch hier wurde die Nutzungsfrequenz reduziert und zwar von bisheriger 3-maligem Schnitt und mäßiger Düngung auf nunmehr 2 Schnitte bei ganz ausgesetzter Düngung (DQ 5).

Ergebnis

Bemerkenswert ist die geradezu explosionsartige Vermehrung der Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) auf den Brache-Varianten. Diese nitrophile Pflanze, die als Lehm- und Stickstoffzeiger gilt, ist ein ausgesprochener Wurzelkriech-Pionier, der sich in sehr vitaler Weise vegetativ ausbreiten kann. Wegen seiner unterirdischen Ausläufer, die bis 2,80 m tief reichen können, gilt sie als lästiges Acker-unkraut mit Hauptvorkommen in mehrjährigen Ruderal-Gesellschaften (Artemisetea) in halbruderalen Quecken-Trockenrasen (Agropyretea) wie auch in allen Getreide-Unkrautgesellschaften. Während diese Pflanze im Aussaatjahr noch gar nicht oder höchstens in Spuren vorhanden war, breitete sie sich in den Folgejahren überaus rasant aus und bildete zwischenzeitlich an die 80 % der gesamten Biomasse. Zuletzt besaß dieser Wurzelkriecher auf 3 der Beobachtungsflächen – trotz Bekämpfung – noch einen Anteil von etwa 40 %. Diese unerwartete Entwicklung führte nach 4 Versuchsjahren dazu, daß das vom Naturschutz ursprünglich im großflächigen Stil geplante, extensive Schnittregime aus Gründen der futterbaulichen Verwertbarkeit und des starken Samenfluges aufgegeben werden mußte und anschließend nur noch für den Bereich der Dauerquadrate fortgeführt wurde. Bei Ertragsanteilen der Acker-Kratzdistel von über 70 % war die Beschattung so groß, daß beispielsweise der lichthungrige Rotschwingel (Festuca rubra) und die Wiesenrispe (Poa pratensis) stark zurückgedrängt wurden.

Die Eingangs aufgeschlüsselte Dauerwiesenmischung ist hinsichtlich ihrer standörtlichen Verwendbarkeit recht breit angelegt. Wie die Ergebnisse zeigten, bedarf sie aber mindestens 3 Nutzungen, damit die eingebrachten Arten auch konkurrenzfähig bleiben. Dies ist schon aus der mittleren Mahdverträglichkeitszahl ersichtlich, die bei den genannten Arten bei 7,6 liegt (9-teilige Skala). Da die neu angesäten Arten aber von Anfang an nur 1 bis 2 mal geschnitten werden sollten, war die hier zum Zuge gekommene Saatmischung deutlich unterfordert. So kam es auch, daß sich die angesäten Gräser und Leguminosen in nennenswerten Ertragsanteilen nur 3 bis 5 Jahre lang halten konnten. Das auf intensivere Nutzung angewiesene Deutsche Weidelgras (Lolium perenne) beispielsweise war im 4. Jahr nur noch in Spuren vorhanden. Eine nutzungsangepaßte Saatmischung ist also sehr wichtig!

Konsequenzen für die Praxis

Bei dem Versuch, naturschutzrelevantes Extensiv-Grünland auf Standorten zu etablieren, die zuvor etwa 15 Jahre unter Ackernutzung lagen kam es nicht zu der erhofften floristischen Artenvielfalt. Eine standardisierte Futtermischung, wie sie im Handel preisgünstig erhältlich ist, eignete sich nicht für die anschließende Extensivnutzung. Zu geringe Schnitthäufigkeit unter Null-Düngung schaffte für lange Zeit sehr labile Pflanzengemeinschaften mit geringer Bestandesdichte. Diese waren anfällig für das Einwandern von Nicht-Grünlandpflanzen, u.a. von Gehölzen. Noch lebensfähige Rhizome der Acker-Kratzdistel im Boden brachten es mit sich, daß sich diese Pflanze geradezu explosionsartig vermehren konnte, was eine anschließende Verwendung der Aufwüchse als Viehfutter ausschloß.

Die Negativ-Erfahrungen aus diesem Experiment und allgemeine Erkenntnisse lehren: Nach einer Neuanlage von Extensiv-Grünland, dessen Aufwüchse verfüttert werden sollen, ist auf einen möglichst raschen Narbenschluß hinzuwirken. Eine lückige Grasnarbe führt stets zu Verkrautung. Häufigeres Nutzen des Bestandes – zumindest in den ersten drei Jahren – erhöht die Narbendichte. Das Nutzungsregime hat sich in erster Linie an der Artenkombination der verwendeten Ansaatmischung zu orientieren. Besonders Futtergräser benötigen eine häufige Nutzung, um überhaupt konkurrenzfähig zu bleiben. Soll sofort eine blumenreiche Wiese entstehen, sind spezielle kräuterreiche Mischungen erforderlich, die aber das 10- bis 15-Fache der üblichen Ansaatmischungen kosten!

Literaturhinweis siehe Versuchsbericht ans MLR

Fördernde Institution
MLR

Förderkennzeichen
LVVG


MLR   |   Agrarforschung    

Informationen  zum Datenschutz und zum Einsatz von Cookies auf dieser  Seite finden Sie in unserer Datenschutzerklärung