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Forschungsreport
Untersuchungs- und Forschungsprogramm
„Fusarientoxine: Zearalenon mit Metaboliten und Deoxynivalenol" -

Förderkennzeichen: MLR

Dr. G. Thielert
Chemische Landesuntersuchungsanstalt Sigmaringen, ab 01.01.2000: Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen
Juli 1998 – Juni 2000

Kurzfassung:
Problemstellung

Fusarientoxine werden von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet. Diese befallen überwiegend lebende Pflanzen und gehören deshalb zu den typischen Feldpilzen. Allerdings können sie sich auch unter günstigen Bedingungen bei der Lagerung ausbreiten.

Die Besiedelung mit Fusarien kann zu Pflanzenkrankheiten mit entsprechenden Ernte-verlusten aber auch zur Kontamination der Erntegüter mit verschiedenen Mykotoxinen führen.
Bei den etwa 100 von Fusarien gebildeten Toxinen unterscheidet man drei Hauptgruppen: Trichothecene, Zearalenon und Fumonisine.

In einem früheren Forschungsprogramm des Ministeriums Ländlicher Raum wurden vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Sigmaringen bereits die Fumonisine bearbeitet (1). Daher wurden für das o.g. Forschungspro-jekt das Trichothecen Deoxynivalenol (DON), das als weltweit am häufigsten vorkommende Mykotoxin in Nahrungs- und Futtermitteln gilt, sowie Zearalenon (ZEA) ausgewählt.

Trichothecene sind starke Hemmstoffe der Proteinsynthese und wirken zellschädigend. Sie sind nicht erbgutschädigend. DON ist von der International Agency for Research in Cancer (IARC) nicht als krebserzeugend eingestuft. Trichothecene sind hautttoxisch und greifen in erster Linie den Verdauungstrakt (Erbrechen, „Vomitoxin") an, aber auch das Nervensystem und die Blutbildung werden beeinträchtigt. Weiterhin wirken sie immunsupressiv.

ZEA besitzt aufgrund seiner Struktur eine ausgeprägte östrogene Wirksamkeit. Von der IARC wurde es als „möglicherweise krebserregend" eingestuft. ZEA führt insbesondere beim Schwein (und möglicherweise auch beim Menschen) zu typischen Zeichen von hoher Östrogenaufnahme (Hyperöstrogenismus) bis hin zu Unfruchtbarkeit oder Scheinschwanger-schaft. Zearalenon kann im Stoffwechsel in a -Zearalenol umgewandelt werden, welches eine höhere östrogene Wirksamkeit besitzt als die Muttersubstanz. Die Halbwertszeit von ZEA bzw. den Metaboliten im Körper ist realtiv lang.

In der Europäischen Union und in der Bundesrepublik Deutschland wurden bisher keine Höchstmengen für DON und ZEA in Lebensmitteln festgesetzt. Zur Beurteilung der Gehalte in Lebensmitteln wurden in Anlehnung an österreichische Richtwerte für DON 500 µg/kg und für ZEA 50 µg/kg herangezogen.

Als weitere Beurteilungsgrundlagen dienten die vom Scientific Committee on Food (SCF) der EU-Kommission festgelegten vorläufigen täglichen Aufnahmemengen (TDI) für DON von
1 µg/kg Körpergewicht (2) und für ZEA von 0,2 µg/kg Körpergewicht (3).

Als belastete Lebensmittel kommen hauptsächlich Getreide und Mais und daraus herge-stellte Produkte in Frage. Durch die bekannten technologischen Zubereitungsverfahren werden Fusarientoxine so gut wie nicht zerstört.

Entsprechende Untersuchungen über die Belastung von Lebensmitteln, die dem Ver-braucher in der Bundesrepublik Deutschland und Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, lagen bislang nur in geringem Umfang vor.

Ziel

Das Untersuchungs- und Forschungsprojekt "Fusarientoxine in Lebensmitteln" im Rahmen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zielte darauf ab, durch Untersuchungen von Lebensmitteln aus dem Handel ein möglichst wirklichkeitsnahes Bild der Belastung der Lebensmittel und damit des Verbrauchers, dem diese Lebensmittel zum Verzehr zur Verfügung stehen, widerzuspiegeln.

Für eine derartige Datensammlung musste zuvor eine geeignete, bedarfs- und praxis-gerechte Verfahrensweise erarbeitet werden, damit die Analytik im Routinebetrieb sinnvoll eingesetzt werden kann. Die ausgearbeiteten Methoden sollten nach Abschluss des Projektes nahtlos in die Routineanalytik der amtlichen Lebensmittelüberwachung einfliessen.

Nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Getreide direkt nach der Ernte (Ernte-erhebung) traten Fusarientoxine besonders in der Ernte 1998 verstärkt auf. Zur Zeit der Blüte des Getreides, bei der das Infektionsrisiko mit Fusarien besonders hoch ist, war für die Fusarien die Witterung in Deutschland ideal (feucht und warm).

Im Forschungsprojekt sollte auch die Frage beantwortet werden, wie sich die Bedingungen bei der Wachstumsperiode des Getreides später auf die Gehalte der Fusarientoxine im Lebensmittel auswirken.

Gleichzeitig war zu prüfen, ob der Einsatz von Screeningverfahren (z.B. ELISA) sinnvoll ist, ob diese Verfahren als alleinige Methoden ausreichend sind oder ob eine zusätzliche Ab-sicherung, z.B. mit Hilfe der Hochdruckflüssigkeitschromatographie, erforderlich ist.

Untersuchungsmethoden

Verschiedene Verfahren und Methoden wurden auf ihre Eignung als Untersuchungs-methoden für Fusarientoxine und zum Einsatz in der Routineüberwachung von Lebens-mitteln geprüft.

Zur Probenaufarbeitung wurden Verfahren mit nass-chemischer Aufarbeitung sowie Aufreini-gungen über verschiedene Festphasensäulen und Immunoaffinitätssäulen auch unter dem Gesichtspunkt der Automatisierbarkeit eingesetzt.

Zur Quantifizierung kamen als Screeningverfahren ein immunchemisches Verfahren (ELISA) neben den chromatographischen Verfahren Dünnschichtchromatographie (DC) und verschie-denen Ausführungsarten der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit UV-Detektion (DAD) sowie Fluoreszenzdetektion zur Anwendung.

Ergebnis

1. Analytik

1.1 Die bisher kommerziell erhältlichen ELISA-Tests eignen sich nicht zur Bestimmung von DON in der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Beim ELISA-Test, der auch zur Detektion geringer Konzentrationen geeignet ist, muss eine Acetylierungsreaktion vor Einsatz in den Testkit durchgeführt werden (Antikörper aktiv auf Acetyl-DON). Diese Reaktion führt nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Andere Tests sind nur für höhere Konzentrationen zur Bestimmung von DON geeignet.

1.2 Zur Untersuchung auf ZEA eignet sich auch der ELISA-Test, insbesondere zur Bewäl-tigung von hohen Probenzahlen und bei Proben, bei denen eine Belastung an ZEA eher unwahrscheinlich ist. Bei einem positiven Befund ist eine chromatographische Nachuntersuchung zur Quantifizierung des Gehaltes unbedingt erforderlich.

1.3 Der Einsatz der Dünnschichtchromatographie eignet sich nur für die Bestimmung von höheren Gehalten an Fusarientoxinen im Lebensmittel, z.B. ab ca. 300-500 µg/kg DON. Bei für den Verbraucherschutz relevanten, geringeren Konzentrationen ist die Aufarbeitung zu ineffektiv und die Empfindlichkeit der Methode nicht hoch genug.

1.4 Zur sicheren quantitativen Bestimmung von Fusarientoxinen - auch in geringen Konzentrationen - eignet sich die Hochdruckflüssigkeitschromatographie mit UV-Detektion für DON und mit Fluoreszenzdetektion für ZEA.

1.5 Bei der Aufreinigung der Probenmatrices vor der Bestimmung mit der HPLC ist der Ein-satz von Immunoaffinitätssäulen sowohl für DON als auch ZEA und dessen Meta-boliten die Methode der Wahl, auch unter dem Gesichtspunkt der Automatisierbarkeit. Bei der Aufreinigung für DON ist allerdings unbedingt auf die Qualität der Säulen zu achten.

1.6 Als Alternative sind Aufreinigungen über Säulen mit speziell aufbereitetem RP-18-Material (Mycosep) für DON und ZEA möglich. Für den on-line Einsatz (Automati-sierung) muss der Hersteller allerdings die Angebotsform der Säulen so gestaltet, dass ein kontinuierliches Arbeiten möglich ist.

1.7 Bei Untersuchungen von Zearalenon und zusätzlich Ochratoxin A, ist die Aufarbeitung in Anlehnung an die Methode nach § 35 LMBG L15.01-1 (4) aus Kostengründen eine sehr gute, geeignete Alternative.

1.8 Für die Bestimmung von DON nach der HPLC zur UV-Detektion sowie von ZEA nach der HPLC zur Fluoreszenzdetektion ist keine Derivatisierung vor der HPLC-Analyse notwendig.

1.9 Als weitere Methode und zur weiteren Absicherung von Befunden mit DON kann die HPLC mit Nachsäulenderivatisierung (Natronlauge und Methylacetoacetat in Ammo-niumacetat als Derivatisierungsreagenzien) und Fluoreszenzdetektion eingesetzt werden (5).

2. Ergebnisse

2.1 In Getreide und Getreideprodukten können Fusarientoxine zum Teil in beachtlichen Konzentrationen nachgewiesen werden. Besonders betroffene Lebensmittel stellen Weizen und Mais sowie daraus hergestellte Produkte dar.

2.2 In 113 (50,7 %) von 223 untersuchten Proben Getreide und Getreideprodukte war DON nicht nachweisbar. Gehalte von unter 200 µg/kg konnten in weiteren 92 Proben
(41,3 %), Gehalte von 200-500 µg/kg konnten in 18 Proben (8,1 %) nachgewiesen werden. Über dem diskutierten Grenzwert von 500 µg/kg wurden 5 Proben (2,2 %) ermittelt. Die durchschnittliche Belastung DON-haltiger Proben liegt bei 100-200 µg/kg.

2.3 Bei den Proben, die den diskutierten Grenzwert überschritten, handelte es sich um 2 Proben Weizen aus Mühlen vor der Reinigung, deren Werte aber nach der Reinigung zu Speiseweizen unterhalb 300 µg/kg lagen. Weiterhin waren eine Probe Mais und zwei Proben Säuglingsnahrung auf Getreidebasis eines namhaften deutschen Her-stellers mit Werten zwischen 500 und 600 µg/kg auffällig. Bei Hochrechnung auf die Verzehrsmenge würde bei Säuglingen (6 Monate) schon bei einer Mahlzeit pro Tag, der von der EU als maximale Aufnahmemenge angesehene Wert (1 µg/kg Körper-gewicht/Tag), überschritten.

2.4 In 183 (85,5 %) von 214 untersuchten Proben Getreide und Getreideprodukte war ZEA nicht nachweisbar. Gehalte von unter 10 µg/kg konnten in weiteren 24 Proben (11,2 %) und Gehalte von 10-50 µg/kg konnten in 6 Proben (2,8 %) nachgewiesen werden. Über dem diskutierten Grenzwert von 50 µg/kg wurde eine Probe (0,5 %) ermittelt. Die durchschnittliche Belastung ZEA-haltiger Proben liegt bei ca. 10 µg/kg.

2.5 Bei der Probe, die den diskutierten Grenzwert überschritt, handelte es sich um das Maismehl, das auch einen überhöhten DON-Gehalt aufwies.

2.6 Getreide und Getreideprodukte mit der Angabe aus kontrolliert biologischem Anbau, scheinen eine geringere Kontaminationsrate und geringere Gehalte aufzuweisen als Produkte aus herkömmlichem Anbau. Nur in 18 von 97 Proben (18,6 %) waren DON-Gehalte über 50 µg/kg, in 4 Proben über 100 µg/kg (4,1 %) mit einem Maximalwert von 300 µg/kg (Dinkel) nachweisbar. Bei 2 von 96 Proben (2,1 %) konnten ZEA-Gehalte über 5 µg/kg nachgewiesen werden, mit dem Maximal-Gehalt von unter 10 µg/kg.

2.7 Die durch die Ernteerhebung 1998 festgestellten hohen Gehalte von Fusarientoxinen im Erntegetreide scheinen keinen großen Einfluss auf die Gehalte der Fusarientoxine im Lebensmittel zu haben. Die müllereitechnische Behandlung des Erntegetreides ist offensichtlich geeignet, einen großen Teil der Belastung mit Fusarientoxinen aus dem Speisegetreide zu eliminieren (siehe 2.3).

2.8 In anderen Lebensmitteln als Getreide und Getreideprodukten konnten vereinzelt auch Fusarientoxine nachgewiesen werden (DON: 29 von 227 Proben (12,8 %); ZEA: 4 von 145 Proben (2,8 %)). Auffällig waren dabei Kontaminationen mit DON einzelner Nussarten und deren Produkte, Ölsaaten (Sonnenblumenkerne) sowie Kaffee.

2.9 In keiner von 18 Proben Lebensmittel tierischer Herkunft (Milch, Käse) konnten Zearalenon oder dessen Metaboliten a - und b -Zearalenol nachgewiesen werden.

2.10 Durch Kreuzreaktionen des Antikörpers beim ELISA und der Immunoaffinitätssäule zur Bestimmung von ZEA können neben den zu den Mykotoxinen zählenden Substanzen Zeara lenon und dessen Metaboliten a - und b -Zearalenol auch die zu den Tierarznei-mitteln zählenden Substanzen Zeara lanon und dessen Metaboliten a - und b -Zearalenol bestimmt werden. Dadurch kann die Anwendung des nicht erlaubten Anabolikas Zeranol (a -Zeara lanol ) von der Verfütterung von „schlechtem", mykotoxinhaltigem Futter durch die Untersuchung des Urins der Tiere unterschieden werden.

Konsequenzen für die Praxis

Durch die ausgearbeiteten Verfahrensweisen und Untersuchungsmethoden sind die ge-nannten Fusarientoxine sicher und selektiv zu identifizieren und zu quantifizieren. Die Be-lastung von Lebensmitteln mit DON und ZEA kann mit diesen Methoden noch in Kon-zentrationen erfasst werden, die weit unter den diskutierten Toleranz-, Richt- oder Höchst-werten (500 µg/kg) liegen, so dass eine umfassende Aufklärung der Belastungssituation auch im unterschwelligen Bereich sicher geleistet werden kann.

Die ausgearbeiteten Untersuchungsmethoden werden weiterhin in der amtlichen Lebens-mittelüberwachung im Zentrallabor für Fusarientoxine des Landes Baden-Württemberg im CVUA Sigmaringen eingesetzt. In einem Untersuchungsschwerpunkt wird auch in Zukunft Datenmaterial zur Belastung der Lebensmittel aus dem Handel und damit des Verbrauchers gesammelt. Zusätzlich dienen die Methoden zur Aufklärung des Verbleibs der Toxine in der Nahrungskette von der Rohware bis zum verzehrsfertigen Produkt.

Letztlich trägt eine breite Datenbasis zu einer fundierten Einschätzung des Gesundheits-risikos des Verbrauchers durch Fusarientoxine sowie zur Einführung und zur Begründung eines Grenzwertes dieser Mykotoxine bei.

Weitere Überprüfungen von Säuglings- und Kleinkindernahrung sowie Grundnahrungsmitteln (z.B. Brot), müssen durchgeführt werden. Hier liegen die Hauptaufnahmequellen des Menschen für die Fusarientoxine. Anhand der vom Scientific Committee of Food der EU-Kommission vorläufig festgesetzten täglichen Aufnahmemengen (2,3) kann mit einer größeren Datensammlung die Belastung auch von Risikogruppen am sichersten abgeschätzt werden.

Literatur:
  • (1) Ministerium Ländlicher Raum Baden-Württemberg
  • Agrarforschung: Gesundheitlicher Verbraucherschutz: „Fumonisine in Lebensmitteln";
  • Förderungskennzeichen 63-95.01.
  • (2) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Scientific Committee on Food
  • Opinion on Fusarium Toxins, Part 1: Deoxynivalenol (DON),
  • SCF/CS/CNTM/MYC/19 REV 2 Final vom 09.12.1999.
  • (3) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Scientific Committee on Food
  • Opinion on Fusarium Toxins, Part 2: Zearalenone (ZEA),
  • SCF/CS/CNTM/MYC/22 REV 3 Final vom 22.06.2000.
  • (4) Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren nach § 35 LMBG (1999):
  • Nachweis und Bestimmung von Ochratoxin A in Getreide und Getreideprodukten,
  • L 15.00-1/1 (Norm DIN EN ISO 15141 Teil 1).
  • (5) Sano, A.; Matsutani, S.; Suzuki, M.; Takitani, S. (1987):
  • High performance liquid chromatographic method for determining Trichothecene
    mycotoxins by post-column fluorescence derivatization.
  • J. Chromatogr. 410, 427-436.

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