Agrarforschung
Gülle- und Milchdesinfektion im Falle eines MKS-Ausbruches
Universität Hohenheim, Umwelt- und Tierhygiene Institut
F. Matthies
Problemstellung
Die in den letzten Jahren auf MKS-Szenarien immer wieder deutlich gewordene Problematik des Milchhandlings im Seuchenfall machen die Notwendigkeit der Entwicklung eines Milchentsorgungs/-verwertungskonzeptes deutlich. Bisher haben sich die verschiedenen Bundesländer bzw. Milchwirtschaftlichen Vereinigungen nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen können. Ein Milchbehandlungskonzept muß geeignete Maßnahmen darstellen, um einen wichtigen Übertragungsweg des MKS-Erregers, in diesem Fall den der Milch, zu beherrschen.
Ziel
Wegen fehlender Erfahrungen bei der technischen und organisatorischen Umsetzbarkeit wurden Untersuchungen in Labor und Praxis auf Eigenschaftsveränderungen eines angedachten "Milch in Gülle-Gemisches" durchgeführt.
Ergebnisse wurden besonders unter den Aspekten Viskositätsveränderungen, pH-Entwicklung, Absetzverhalten nach mehrwöchiger Lagerung und Inaktivierungskinetik des eingesetzten Referenzvirus unter Natronlaugeneinsatz bewertet. Zur Entwicklung eines Datenerhebungsbogens mit der Fragestellung beschriebener Lagerkapazitätsprobleme (Seidler, Lücke, `98) wurden unterschiedliche landwirtschaftliche Betriebe besucht.
Material und Methoden
Die Viruzidieprüfung fand unter der Verwendung von Polio Sabin S-Virus (Impfstamm) statt, da dieses lediglich unter die L 1-Sicherheitsklassifiz-ierung fällt und sich damit für Praxisversuche verwenden läßt.
Als Desinfektionsmittel wurde Natronlauge gewählt, da diese mit einem sehr breiten Wirkspektrum zu einem in der gesetzlichen Tierseuchenbekämpfung vorgesehenen Desinfektionsmittel gehört und bei einem relativ günstigen Preis schnell und in ausreichender Menge verfügbar ist.
Die verwendete Gülle wurde über den Jahresverlauf aus dem Meiereihof (Uni Hohenheim) für jede einzelne Versuchsreihe entnommen. Diese war schon grobsinnlich in Farbe, Struktur (mit und ohne Strohbeimischung) und vor allem Trockenmassegehalt nicht einheitlich, womit sich die in der Praxis unterschiedlichen Verhältnisse widerspiegeln.
Die Milch wurde bis spätestens 8 h nach der letzten Melkzeit aus dem Milchsammeltank des Meiereihofes entnommen und unverzüglich als Rohmilch in verschiedenen Mischungsverhältnissen (1:3 --> 3:1) der Gülle zugegeben.
Der pH-Wert wurde in Milch, Gülle und Milch-Gülle-Gemischen mit einem elektrischen pH-Meter gemessen. In einem mit 200 ml gefüllten Becherglas wurde der abzulesende Wert unmittelbar nach dem Erreichen einer guten Durchmischung (Magnet-rührwerk) des eingesetzten Desinfektionsmittels dokumentiert.
Die Viskositätsmessung erfolgte mit dem Viskosimeter VT 181 und Einhängedrehkörper in 80 ml Untersuchungsflüssigkeit eines 100 ml Schott-Glases bei Rotationsgeschwindigkeit II. Meßwert war der angezeigte Viskosimeter-Skalenwert mit bzw. ohne NaOH-Verwendung.
Zur Dokumentation des Absetzverhaltens von Milch/Gülle-Gemischen kamen Zellkulturflaschen mit einem Volumen von 1000 ml zur Verwendung, wobei diese lediglich zu ¾ gefüllt wurden, um bei einsetzender Gasbildung nicht zum Überlaufen zu führen. Dokumentiert wurden unterschiedliche Gemischzusammensetzungen jeweils nach 48 Stunden und 8 Wochen Lagerung (dies entspräche den in der Praxis gegebenen zeitlichen Rahmenbedingungen).
Zur Vorbereitung des Datenerhebungsbogens wurden 9 Betriebe aus dem Allgäu, Schwarzwald, Hohenlohe und Niedersachsen besucht. Die Betriebe waren unterschiedlicher Größe (55-300 Tiere) und Aufstallungsform (Boxenlaufstall, Anbinde-, Weide- bzw. reine Stallhaltung) und wurden durch die Molkereien bzw. aus den Veterinärverwaltungen benannt. Im persönlichen Gespräch mit dem Landwirt und einer Betriebsbegehung konnten die Daten erhoben werden.
Ergebnisse und Empfehlungen für die Praxis
Nach dem vorläufigen Stand derzeitiger Laborergebnisse und Datenerhebung auf den landwirt-schaftlichen Betrieben unterschiedlicher Struktur, wo die eventuellen "Milch in Gülle"-Kapazitäten untersucht wurden, läßt sich die vorläufige Aussage treffen, daß die kurz- bis mittelfristige Entsorgung anfallender Milch unter den folgenden Gesichtspunkten als möglich, ja sogar ratsam zu betrachten ist:
Das Handling eines Milch/Gülle-Gemisches scheint mit der auf Betrieben vorhandenen Technik möglich zu sein, da Vermutungen einer starken Viskositätszunahme bzw. Entstehung eines schwerst aufrührbaren Gemisches nicht bestätigt werden konnten.
Eine schnelle (innerhalb weniger Minuten) Titerreduktion des Poliovirus (hier als Referenzvirus zum MKS-Virus angewandt) um mind. 3-4 Zehnerpotenzen konnte bei Gewährleistung einer guten Durchmischung und einer erreichten Endkonzentration von 1 % Na-OH im Labormaßstab nachgewiesen werden. Diese NaOH Konzentration sollte mit einem Sicherheitsaufschlag in der Praxis Verwendung finden.
Nach der bisher vorliegenden Betriebsdatenerhebung haben Betriebe wenige Tage bis einige Wochen die Möglichkeit, je nach Betriebsstruktur und Jahreszeit (verbleibende Sammelbehälterkapazität), ihre anfallende Milch innerbetrieblich zu entsorgen. Hier wäre im Seuchenfall eine schnelle Einschätzung notwendig, um gegebenenfalls Maßnahmen wie zum Beispiel eine angedachte Zwischendesinfektion des Milch-/Güllegemisches durch eine im Praxisversuch erprobte Maschineneinheit einzuleiten.
Der Zeitpunkt dieser notwendigen Maßnahme läßt sich durch Reduktion der anfallenden Milchmenge (Verfütterung/frühzeitiges Trockenstellen) auf Be-trieben unterschiedlich lange hinauszögern (wenige Tage bis zu unbegrenzt).
Literatur
Siehe Abschlußbericht
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