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Agrarforschung
Integrierter Pflanzenbau im Hopfen unter besonderer Berücksichtigung von Niedriggerüstanlagen

Landesanstalt für Pflanzenschutz, Stuttgart
Dr. Willi Moosherr
Mai 1993 - April 1998

Problemstellung

In Deutschland werden derzeit rund 18.000 ha Hopfen angebaut, wovon 87 % auf das bayerische Anbaugebiet Hallertau entfallen und 9 % auf Baden-Württemberg mit dem Anbaugebiet Tettnang. Die sehr kapital- und arbeitsintensive Kultur erbringt eine durchschnittliche Marktleistung von 12.500,- DM/ha. Charakteristisch für die übliche Bewirtschaftungsform sind 7 - 8 m hohe Gerüstanlagen, die als Stütze für die Aufleitdrähte dienen, an denen sich die Hopfenreben hochwinden. Jährlich wird im Frühjahr nach dem Schneiden für jeden Hopfenstock ein Aufleitdraht angebracht, an den drei Hopfentriebe von Hand angeleitet werden. Zur Ernte werden die Hopfenreben auf dem Feld abgeschnitten und auf einem Wagen zur stationären Pflückmaschine gefahren. Die Ausbringung der Pflanzenschutzmittel erfolgt mit Gebläsesprühgeräten, die die Behandlungsflüssigkeit beim ausgewachsenen Hopfen bis zur Gerüsthöhe transportieren müssen. Besonders bei der Behandlung der Außenreihen eines Hopfengartens besteht eine Abtriftgefahr für benachbarte Flächen oder Gewässer. Um eine derartige Gefährdung zu minimieren, werden bei der Zulassung bestimmter Pflanzenschutzmittel Anwendungsabstände von 10 - 50 m vorgeschrieben. Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz brachten im Hopfen bisher keine praktikablen Erfolge.

Ziel

Im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sollte in den Hopfenanbaugebieten Hallertau und Tettnang die Praxistauglichkeit des Hopfenanbaus in Niedriggerüstanlagen geprüft werden. Träger des Projektes war die Deutsche Gesellschaft für Hopfenforschung e.V., die Versuchsanstellung lag sowohl bei der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau in Wolnzach-Hüll als auch bei der Landesanstalt für Pflanzenschutz in Stuttgart. Aufgabe der wissenschaftlichen Betreuung war es, in begleitenden Untersuchungen in Niedriggerüstanlagen im Vergleich zu Hochgerüstanlagen die Umweltverträglichkeit der Anbauverfahren zu prüfen sowie Untersuchungen in der Anbau-, Produktions- und Pflanzenschutztechnik, der Pflanzenernährung, der Eignung von Sorten und Neuzüchtungen, der Möglichkeit des Einsatzes von Nützlingen und biologischer Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen und der Möglichkeit der Reduzierung des Pflanzenschutzmittelaufwandes durchzuführen. Zudem waren betriebswirtschaftliche Fragen zu untersuchen.

Untersuchungsmethode

Auf 5 Projektflächen wurden Niedriggerüstanlagen von nur 3 m Höhe und einem Reihenabstand von 2,50 m erstellt, wobei die Aufleitdrähte mehrere Jahre dauerhaft am Gerüst blieben. Um den größeren Reihenabstand auszugleichen, war der Pflanzabstand in der Reihe mit 0,75 m doppelt so eng wie beim herkömmlichen Hochgerüst. Der Pflanzenschutz erfolgte mit Tunnel- oder anderen Recycling-Spritzgeräten, die eine erhebliche Verringerung der Abtrift und Einsparungen von Pflanzenschutzmitteln bewirken. Die Ernte wurde mit einer schleppergezogenen Pflückmaschine bewerkstelligt, die vom stehenden Bestand nur Blätter und Dolden abpflückt, die Hopfenreben aber am Draht beläßt. Im Rahmen der biologischen Schädlingsbekämpfung von Hopfenblattlaus und Gemeiner Spinnmilbe kamen folgende, über den Fachhandel zu beziehende, Nützlinge in ihren jeweils räuberischen Entwicklungsstadien zum Einsatz: Florfliegen (Chrysoperla carnea), Schwebfliegen (Episyrphus balteatus), Blumenwanzen (Orius majusculus) und Raubmilben (Phytoseiulus persimilis, Typhlodromus pyri). Die Ausbringung erfolgte zu mehreren Terminen und betrug zwischen 60 und 350 Nützlingen je Hopfenpflanze und Vegetationsperiode. Als unterstützende Maßnahme zum gezielten Nützlingseinsatz wurde jährlich im Frühjahr eine Mischung verschiedener Blütenpflanzen in die Nützlingsparzellen eingesät mit dem Ziel, natürlich vorkommende räuberische Insekten wie z.B. Marienkäfer, Florfliegen und Schwebfliegen anzulocken, ihnen Nahrung zu bieten und somit deren Populationsdichte im Hopfenbestand zu erhöhen.

Ergebnis

1. Düngung: Beim Niedriggerüstanbau des Hopfens waren erhebliche Düngemitteleinsparungen möglich, da bei der Ernte die Reben nicht abgeschnitten wurden, sondern am Stock verblieben, so daß im Herbst eine Rückverlagerung der gespeicherten Nährstoffe in den Wurzelstock erfolgen konnte. Die Untersuchungen ergaben, je nach Sorte und Anbaugebiet, einen Stickstoffentzug von 120 - 149 kg N/ha und einen Rücktransport in den Wurzelstock von 17 - 19 kg N/ha. Versuche zur Höhe der Stickstoffdüngung brachten beim Niedriggerüst keine absicherbaren Ertragsunterschiede bei steigender N-Gabe über 100 kg N/ha (jeweils abzüglich Nmin-Gehalt des Bodens). Dieses niedere Düngungsniveau führte zu einer Halbierung des mineralisierten Stickstoffs im Boden im Vergleich zu Hochgerüstanlagen, wodurch die Gefahr der Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser minimiert wurde. Aus dem Nmin-Gehalt von Niedriggerüstanlagen im Frühjahr resultierte eine erforderliche Stickstoffdüngung zwischen 42 und 72 kg N/ha. Gegenüber einer praxisüblichen N-Düngung in Hochgerüstanlagen von 150 kg N/ha bedeutete dies eine Einsparung von 78 - 108 kg N/ha. Bei Phosphat und Kali betrug die Einsparung 11 kg P 2 O 5 /ha bzw. 57 kg K 2 O/ha.

2. Pflanzenschutz: Die notwendigen Fungizidbehandlungen gegen den Falschen Mehltau (Pseudo-peronospora humuli) erfolgten mit Hilfe von Prognosemodellen. Während es bei Hochgerüstanlagen auch in kritischen Phasen immer wieder gelang, das Aufkommen von Pilzsporen nachhaltig unter die Bekämpfungsschwelle zu drücken, war dies bei den Niedriggerüstanlagen trotz des verstärkten Einsatzes von teilsystemischen und systemischen Fungiziden oft nicht möglich. Im Durchschnitt wurden beim Niedriggerüst 24 Infektionstage pro Jahr ermittelt gegenüber 16 in den Hochgerüstanlagen. Aufgrund des stärkeren Ausgangsbefalls und des höheren Befallsdrucks während des gesamten Jahres mußte in Niedriggerüstanlagen mindestens eine zusätzliche Peronospora-Behandlung durchgeführt werden. Ein wesentlicher Vorteil der Niedriggerüstanlagen bestand in der Möglichkeit, beim Pflanzenschutz sogenannte Recycling-Sprühgeräte einzusetzen, bei denen die nicht angelagerte Spritzflüssigkeit aufgefangen und in den Behälter zurückverlagert wird. Hierdurch verringerte sich einerseits der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln, weil die aufgefangene Spritzflüssigkeit erneut verwendet wurde, und andererseits reduzierte sich die Abtrift gegenüber herkömmlicher Applikationstechnik erheblich. Der Einsatz solcher Geräte brachte - je nach Entwicklungsstadium des Hopfens - Einsparungen an Pflanzenschutzmitteln von 8 - 25 %. Der größte Vorteil solcher Geräte lag jedoch im Abtriftverhalten. In einer Entfernung von 5 - 10 m lagen die Abtriftwerte des Tunnelgerätes um mehr als 99 % unter den entsprechenden zulässigen Eckwerten für praxisübliche Gebläsesprühgeräte in Hochgerüstanlagen, was einen bedeutenden Beitrag zur Umweltschonung darstellt.

In den Versuchen zur biologischen Schädlingsbekämpfung zeigte sich, daß eine zuverlässige Bekämpfung der Hopfenblattlaus durch den Einsatz von Nützlingen derzeit nicht gewährleistet ist, wobei kein Unterschied bestand zwischen Hoch- und Niedriggerüstanlagen. Außerdem waren die Kosten für den Zukauf von Nutzinsekten und der Aufwand für das jährliche Ausbringen sehr hoch. Erfolgversprechender war dagegen die biologische Bekämpfung der Spinnmilben. Der Einsatz von Raubmilben brachte sowohl in der Hoch- als auch in der Niedriggerüstanlage meist gute Erfolge, wobei dieses Verfahren weiter optimiert und Überwinterungsmöglichkeiten für Raubmilben geschaffen werden müssen.

3. Ernte: Die Ernte in Niedriggerüstanlagen erfolgte mit einer schleppergezogenen, zapfwellengetriebenen Pflückmaschine mit Hangausgleich und zusätzlich lenkbaren Rädern. Sie ist sehr leistungsfähig und lieferte ein schonend geerntetes Pflückgut, das anschließend in der stationären Pflück- und Reinigungsmaschine, die für die Ernte der Hochgerüstanlagen in den Betrieben bereits vorhanden ist, zu einem marktfertigen Produkt gereinigt wurde. Die Tagesleistung der mobilen Pflückmaschine lag bei 1,2 - 1,4 ha.

4. Qualitätsuntersuchungen: In Bezug auf die Farbe wurde beobachtet, daß das Grün der Dolden aus Niedriggerüstanlagen heller war als dasjenige der gleichen Sorte aus Hochgerüstanlagen. Bei den Laboruntersuchungen auf Inhaltsstoffe und in der Aromabonitierung war jedoch kein Unterschied erkennbar. Die Gehalte an brautechnisch wichtigen Alpha-Säuren lagen tendenziell höher als bei gleichen Sorten der Hochgerüstanlagen desselben Betriebes.

5. Erträge: Im Mittel der Versuchsjahre waren die Erträge der Niedriggerüstanlagen um 66 % (Hallertau) bzw. 53 % (Tettnang) niedriger als auf den Hochgerüst-Vergleichsflächen. Dieses negative Ergebnis konnte bei den Niedriggerüstanlagen auch nicht durch höhere Pflanzdichten von beispielsweise 0,60 m oder 0,40 m Abstand in der Reihe verbessert werden.

6. Betriebswirtschaft: Der Arbeitsbedarf war in Niedriggerüstanlagen mit 151 AKh/ha um ca. 109 AKh geringer. Dies ergab sich im wesentlichen durch den Wegfall des Aufleitdrahtanbringens (30 AKh/ha), den geringeren Aufwand in der Hopfenpflege (50 AKh/ha) und der Hopfenernte (18 AKh/ha). Die variablen Kosten (Maschinen, Düngung, Pflanzenschutz und sonstiges) schlugen beim Niedriggerüst mit 3.683,- DM/ha zu Buche und waren somit um 2.777,- DM niedriger als in Hochgerüstanlagen. Voraussetzung für den Anbau des Hopfens in Niedriggerüstanlagen ist der wirtschaftliche Erfolg. Er wird von der Marktleistung, die wesentlich durch den Ertrag beeinflußt wird, sowie durch die variablen und festen Kosten bestimmt. Die Marktleistung errechnet sich aus den Erträgen und dem Verkaufspreis. Nach Abzug der variablen Kosten ergibt sich der Deckungsbeitrag. Er betrug in Niedriggerüstanlagen im Durchschnitt 4.752,- DM/ha, das ist um 3.092,- DM/ha weniger als von den Hochgerüstanlagen der gleichen Sorten. Der Grund für die fehlende Wirtschaftlichkeit der Niedriggerüstanlagen waren die niedrigen Erträge. Die verwendeten Sorten sind für Hochgerüstanlagen gezüchtet; ihr Wuchs war in Niedriggerüstanlagen zu üppig und sie erreichten nicht ähnlich hohe Erträge.

Konsequenz für die Praxis

Im Anbau des Hopfens in Niedriggerüstanlagen konnten wertvolle Ergebnisse und Fortschritte erzielt werden. Die Erntetechnik funktioniert gut, der Arbeitsaufwand für die Pflege des Hopfens muß allerdings noch verringert werden. Durch den Einsatz von Recycling-Sprühgeräten läßt sich der Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln und deren Abtrift deutlich reduzieren, was zu einer deutlichen Entlastung der Umwelt beiträgt. Die Qualität des Hopfens aus Niedriggerüstanlagen ist vergleichbar, der Alphasäuregehalt ist sogar leicht höher. Der Ertrag der vorhandenen Sorten ist bislang jedoch unbefriedigend und beeinträchtigt die Wirtschaftlichkeit. Die variablen Kosten sind zwar ebenfalls niedriger, die daraus resultierende Kostensenkung kann die geringere Marktleistung aber nicht ausgleichen, so daß unter diesen Gegebenheiten ein Niedriggerüst-Anbausystem derzeit nicht empfohlen werden kann.

Literatur
Schlußbericht, April 1998; Hopfen-Rundschau Nr. 7 und 8, 1999

Fördernde Institution:   BML, ELF, MLR

Förderkennzeichen:     93UM01


MLR   |   Agrarforschung   

 

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