Agrarforschung
Ökologische Begleituntersuchungen zur Schwammspinnerbekämpfung
Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz, Bühl - Vimbach
V. Späth, A. Schanowski, H.R. Schwenninger, K. Wolf-Schwenninger
April 1994 - April 1996
Problemstellung
Im Jahr 1993 hatte der Schwammspinner in Baden-Württemberg auf 7.500 ha Fraßschäden, davon auf 4.200 ha Kahlfraß verursacht. Nachdem für 1994 erneut auf großer Fläche Kahlfraß prognostiziert wurde sollten im Sinne eines Bestandesschutzes Waldflächen, die schon 1993 von Kahlfraß betroffen waren, stark vorgeschädigte sowie an Ortschaften und Sonderkulturen grenzende Bestände behandelt werden. Zum Einsatz kamen sowohl Bazillus thuringiensis kurstaki (Btk) als auch Dimilin (Wirkstoff: Diflubenzuron). Gleichzeitig wurden sogenannte 0-Flächen vorgesehen, in denen ein zweiter Kahlfraß geduldet werden sollte.
Ziel
Im Rahmen ökologischer Begleituntersuchungen sollten die möglichen Auswirkungen der Bekämpfungsmaßnahmen auf Nicht-Zielarten sowie die etwaige Regeneration betroffener Arten(gruppen) dokumentiert werden. Dabei wurden Nachtfalter, Laufkäfer als Vertreter der epigäischen Fauna sowie für die endogäisch lebende Fauna Bodenkäfer in die Untersuchungen einbezogen.
Die Erhebungen begannen 1994 in drei nicht behandelten Referenzflächen sowie einer mit Btk und zwei mit Dimilin behandelten Flächen. Nachtfalter und Laufkäfer wurden in allen, Bodenkäfer nur in je einer Referenz- und einer Dimilinfläche erfaßt.
1995 konnten die Untersuchungen nur in eingeschränktem Umfang fortgeführt werden. Sie umfaßten je eine der Dimilin- und eine der Referenzflächen, in denen Nachtfalter, Laufkäferimagines sowie die Larven von Lauf- und Aaskäfern bearbeitet wurden.
Untersuchungsmethode
1. Nachtfalter
Um Randeffekte so gering wie möglich zu halten, wurden lichtschwache (15 Watt), automatische Lebendfallen verwendet. Eine direkte Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist durch in allen Probeflächen parallel durchgeführte Fänge gegeben. 1994 wurde in 10 Nächten von Anfang Mai bis Anfang September, 1995 in 12 Nächten von Ende April bis Mitte September gefangen.
2. Epigäische Fauna (Laufkäfer, Käferlarven)
Zur Erfassung der epigäische Fauna wurden je Probefläche 8 mit verdünnter Essigsäure beschickte Bodenfallen eingesetzt. Sie waren in beiden Jahren während des gesamten Erfassungszeitraumes (s.o.) durchgehend exponiert.
3. Bodenkäfer
Die Erfassung der Bodenkäfer erfolgte mittels Bodenproben. Dabei wurden in jeder Probefläche 16 Proben (à 0,1 qm, ca. 5 cm tief, 5 l Volumen) ausgestochen. Die erste Probenahme erfolgte vor der Dimilinapplikation am 22. April 1994, die zweite und dritte am 8. Juni sowie am 9. September jeweils ca. 50 cm von der vorigen Probenstelle entfernt. Jede Erdprobe wurde in einen Ausleseapparat verbracht und die auswandernden Käfer über vier Wochen abgelesen.
Ergebnis
1. Nachtfalter
In den behandelten Flächen (Btk und Dimilin) zeigten sich schon 1994 quantitative Einbußen bei Arten, die als Raupe an Laubgehölzen leben.
In den beiden auch 1995 beprobten Flächen ergaben sich im Vergleich 1994/1995 deutliche Veränderungen in der Dominanzstruktur der Nachtfaltergemeinschaften.
Ein großer Teil der univoltinen Arten konnte aus phänologischen Gründen erst 1995 Wirkung zeigen. Deutliche Verluste hinsichtlich Arten- und Individuenzahl in der Dimilinfläche stehen einem Zuwachs in der Referenzfläche gegenüber. Betroffen waren vor allem die als Larve an Gehölzen lebenden Arten.
Bei biovoltinen Arten, ließ sich in beiden Flächen eine Erholung der Bestände von Kahlfraß 1993 bzw. Kahlfraß 1994 und Dimilineinsatz 1994 erkennen. Auch hier waren es die als Raupe an Gehölze gebundenen Spezies, während die in der Kraut- und Streuschicht lebenden keine Veränderungen zeigten.
2. Laufkäfer und Käferlarven
Laufkäferarten mit Sommerlarven wurden durch den Einsatz beeinträchtigt. Dies trifft auf zoophage, eventuell auch auf phytopage Spezies zu. Bei Arten mit Winterlarven ist eine Wirkung des Dimilin nicht sicher nachzuweisen.
Neben den Laufkäfern wurden auch die Larven des Vierpunkt-Aaskäfers massiv durch den Dimilineinsatz dezimiert.
Ein Verlust an Laufkäferarten in der Dimilinfläche war 1995 nicht zu erkennen. Bestände von 1994 betroffenen Spezies zeigten bereits eine Erholung.
3. Bodenkäfer
Ein Zusammenbruch der Bodenkäferfauna in der Dimilinfläche erfolgte 1994 nicht.
Bei einer Reihe der zum Vergleich von Referenz- und Dimilinfläche herangezogenen Kriterien konnten stärkere Abweichungen zu Ungunsten der Dimilinfläche festgestellt werden. Es kann aber nicht uneingeschränkt davon ausgegangen werden daß diese ausschließlich auf das Dimilin zurückzuführen sind.
Konsequenzen für die Praxis
Aufgrund der Beeinträchtigung auch von Vertretern der am Boden lebenden Arthropodenfauna durch Dimilin sollte bei künftig notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen Btk der Vorzug gegeben werden. Dieses Präparat erwies sich 1994 als wirkungsvoll und zeigte keine Auswirkungen auf die untersuchten Laufkäfer und Käferlarven.
Um das Risiko von Artenverlusten unter den in jedem Fall betroffenen Faltergemeinschaften gering zu halten bzw. eine rasche Wiederbesiedlung zu gewährleisten, sollten niemals alle Flächen eines bestimmten Bestockungstypes komplett behandelt werden. Vielmehr ist ein Mosaik risikoärmer, in dem behandelte und unbehandelte Flächen mit derselben Baumartenzusammensetzung und Bestandesstruktur aneinandergrenzen oder unweit voneinander liegen. Flächengrößen bis zu 40 ha bzw. höchstens 300 m bis zum nächsten unbehandelten Bestand, stellen für die meisten Falterarten kein nachhaltiges Problem für die Wiederbesiedlung dar.
Literatur:
Abschlußberichte für die Projektphasen 1994 und 1995
Fördernde Institution: MLR |
Förderkennzeichen: 55 - 94 . 19 |