Forschungsreport
3D-Visualisierung von Waldstrukturen und Waldstrukturentwicklungen - Instrument für die Forstplanung, die waldbezogene Umweltbildung
sowie für partizipative Planungsansätze
Förderkennzeichen: MLR 0194 E
Prof. Dr. G. Oesten; K. Fischer
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Forstökonomie
01.04.2000 - 31.03.2003
Kurzfassung:
Problemstellung:
In einer Vielzahl von privaten, kommunalen und staatlichen Forstbetrieben werden im Rahmen von Konzepten der naturnahen/naturgemäßen Forstwirtschaft langfristige Waldumbau- bzw. Überführungsvorhaben geplant oder bereits durchgeführt. Ziel dieser Vorhaben ist stets der Aufbau von strukturreichen, naturnahen Wäldern in Abkehr von vormaliger strukturarmer Altersklassenwirtschaft. Die Forstbetriebe stehen bei derartigen Vorhaben des großflächigen Waldumbaus vor komplexen Führungsaufgaben waldbaulicher, technologischer und betriebswirtschaftlicher Art. Bereits in der Planungsphase ist es für die Betriebsführung daher bedeutungsvoll, dass
- intendierte und nichtintendierte Folgen langfristiger Waldumbau- oder Überführungsmaßnahmen berücksichtigt werden.
- Anspruchsgruppen im Wege der Partizipation mit einbezogen werden.
- Umweltbildung Fragen der Waldentwicklung im Rahmen naturnaher/naturgemäßer Forstwirtschaft einschließt.
Vor allem drei Gründe führen zu Schwierigkeiten in der Vorstellbarkeit der Auswirkungen forstwirtschaftlicher Aktivitäten im Wald. Der erste Grund liegt in der Komplexität von Waldstrukturen und den komplexen Auswirkungen von forstlichen Maßnahmen. Der Zweite betrifft den großen Zeithorizont, auf den sich die Entscheidungen beziehen und der Dritte ist die Tatsache, dass für die Planungsentscheidungen ein großer räumlicher Bezug hergestellt werden muss. Die menschliche Vorstellungskraft scheint systematisch überfordert bei der Erfassung derart komplexer raum-zeitlicher Veränderungen von Waldstrukturen, weshalb für verschiedenste betriebliche wie überbetriebliche Aufgaben zweckmäßige, gleichwohl Komplexität reduzierende Entscheidungshilfen zu fordern sind.
Die langfristigen Veränderungen der Waldstrukturen können durch Simulationsmodelle abgebildet werden. Da die Kognitionsfähigkeit des Menschen gegenüber den immer komplexeren Informationen überfordert ist, werden Modelle und Methoden benötigt, die es erlauben, die Dateninhalte adäquat auf alle Sinne des Menschen abzubilden. Die zentrale Fähigkeit des Menschen, visuelle Daten zu interpretieren, erfährt durch die neuen Medien und die rechnergestützte Bearbeitung und Auswertung mit Hilfe von Computersimulationen und Messungen eine neue Dimension. Diese Angaben, verbunden mit dem Wissen über die Schwierigkeiten des Menschen bezüglich seiner Kognitionsfähigkeiten, lassen eine Visualisierung der Waldbestände und deren Veränderung durch forstliche Eingriffe als sehr sinnvoll erscheinen. Hierfür bietet sich eine Darstellung in einem realistisch wirkenden 3D-Modell an, in dem eine Betrachtung der Bestände aus verschiedenen Perspektiven möglich wird, Veränderungen dargestellt werden können und dabei die gesamte räumliche Ordnung mit einbezogen wird.
Ziel:
Ziel des Projektes war es, ein GIS-gestütztes 3D-Visualisierungsmodul zur Darstellung von Waldstrukturen und Waldstrukturentwicklungen zu erstellen. Dabei sollten Ansprüche berücksichtigt werden, die sich aus der erweiterten forstlichen Praxis ergeben. Dazu gehören sowohl Anwendungsaspekte der internen forstlichen Planung, als auch der waldbezogenen Umweltbildung und der forstlichen partizipativen Planung. Als Ergebnis sollte ein Lösungskonzept entwickelt werden, mit dem eine 3D-Darstellung von Waldstrukturen und deren Dynamik auf Abteilungs-(Distrikt)-Ebene und von kleinen Landschaftsausschnitten möglich wird. Hierbei sollte überprüft werden, inwieweit ein Lösungskonzept als reine GIS-Lösung möglich ist (auf der Basis von ArcGIS 8.2 und dem optionalen 3D-Modul "3D Analyst für ArcGIS" [2]). Die Einbettung aller Lösungsansätze in ein bestehendes GIS war der zentrale Ansatzpunkt für das Vorhaben, mit dem Ziel
- aus bestehenden GIS-Systemen heraus Waldstrukturen- und Waldentwicklungssimulationen berechnen zu können
- die im GIS gespeicherten bzw. in Simulationen errechneten Geo-Informationen auch in einem 3D-Visualisierungsmodul nutzen zu können
- im Visualisierungsmodul Änderungen an der Datengrundlage vornehmen zu können, die dann auch direkt im GIS verfügbar sind
- auf die Standardfunktionalitäten des GIS auch im Visualisierungsmodul zurückgreifen zu können (Analyse-, Verschneidungsfunktionen, ....)
- die Beschränkung auf den isolierten Bestand aufzuheben und Bestände auch in ihren Nachbarschaftsbeziehungen darstellen zu können
- unterschiedliche Anforderungen zu definieren für die Bereiche forstliche Planung, Partizipation und Umweltbildung
- die zu erarbeitende Lösung in Bezug auf diese unterschiedlichen Anforderungen zu diskutieren
Um die Qualität der GIS-internen Visualisierung beurteilen und weitere Aussagen zur Praxistauglichkeit machen zu können, sollte ein Vergleich mit einer auf 3D-Visualisierung spezialisierten Visualisierungsumgebung angestellt werden (Enviro aus dem "Virtual Terrain Project" [3]).
Untersuchungsmethode:
Um die Zielsetzung zu erreichen, wurde ein GIS aufgebaut, in dem durch Nutzung und Aufbereitung typischer forstlicher Daten der
IST-Zustand der Waldstrukturen erfasst wird. Deren Entwicklung sollte von dieser Datenbasis ausgehend prognostiziert werden. Dazu wurde das
GIS mit dem Waldwachstumssimulator SILVA 2.2 ([4]) gekoppelt. Die hierzu notwendigerweise zu programmierende Schnittstelle vom GIS zu SILVA
musste sowohl die Steuerung von SILVA ermöglichen, als auch die Rückführung der SILVA-Prognoseergebnisse in das GIS
erlauben.
Die rückgeführten Prognoseergebnisse wurden GIS-basiert visualisiert - sowohl "GIS-intern" mit dem optionalen 3D-GIS-Modul
"3D-Analyst für ArcGIS", als auch mit dem "GIS-externen" Referenzsystem Enviro. Für die "GIS-externe" Visualisierung war es dabei
notwendig eine Schnittstelle zu programmieren, die die automatisierte Steuerung der Visualisierungsumgebung aus dem GIS heraus erlaubt. Die
Art der Visualisierung richtet sich dabei nach Kriterien, die sich aus den jeweiligen Anwendungszwecken (s. o.) ableiten.
Ergebnis:
In dem Projekt wurde ein Lösungskonzept erarbeitet, durch das Methoden zur GIS-basierten 3D-Visualisierung von Waldstrukturen und deren Dynamik bereitgestellt werden. Durch die Kombination von GIS, Waldwachstumssimulator und 3D-Visualisierungseinheit steht nun ein Prototyp für die benutzergeführte 3D-Visualisierung typischer forstlicher Daten auf Einzelbaumbasis zur Verfügung. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine 3D-Visualisierung von Landschaftsausschnitten - auf Einzelbaumebene - mit den aktuell zur Verfügung stehenden Werkzeugen sehr gut möglich ist.
Es wurden dabei zwei parallele Lösungsansätze entwickelt: eine "reine" GIS-Lösung und eine GIS-basierte "externe"
Lösung, die mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen zu bewerten sind.
Hierbei hat sich herausgestellt, dass die GIS-interne Visualisierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht ganz die
Bild-Qualität und "Performance" externer, auf die 3D-Visualisierung optimierter Programme erreicht. Hier zeigen sich derzeit noch
Schwächen in der Unterstützung gängiger 3D-Formate sowie der Unterstützung von rechenzeitverkürzenden
(performanten) Algorithmen (wie "Level-of-Detail"). Eine Repräsentation großer Vegetationsbestände (wie z. B. mehrere
Distrikte) auf Einzelbaumebene ist dadurch momentan noch nicht möglich. Eine Darstellung der Vegetation kleinerer Ausschnitte (z. B.
eines Distriktes auf Abteilungsebene) ist aber sehr gut möglich. Die maximal darstellbare Anzahl an Einzelbäumen ist dabei sehr
stark von der verwendeten Hardware abhängig. Gerade bei der "reinen" GIS-Lösung sind ein großer Arbeitsspeicher (mindestens
1 GB) und eine professionelle 3D-Grafikkarte (mit hardwareunterstütztem OpenGL) erforderlich, um die notwendige Performance für
Live-Visualisierungen zu erhalten. Die "mangelnde" Performance der GIS-internen Lösung steht allerdings dem Vorteil gegenüber,
hier interaktiv die abgebildeten Geo-Daten beeinflussen und analysieren zu können.
Es ist zu erwarten, dass die meisten der angesprochenen Probleme durch zukünftige Hardwareentwicklungen gelöst werden. Auch bei dem verwendeten GIS-Programm sind Optimierungen durch neue Versionen abzusehen. So sollen, laut Herstellerankündigung, zukünftige Versionen von ArcScene beispielsweise eine verbesserte Importunterstützung von extern erzeugten 3D-Modellen aufweisen. Besonders wichtig wäre aber, dass in dem 3D-GIS bewährte Algorithmen (wie "Level-of-Detail" (LOD)) zur effizienten Darstellung einer großen Anzahl an Einzelobjekten implementiert werden.
Konsequenzen für die Praxis:
Durch das Projekt werden Methoden bereitgestellt, die zum Aufbau eines leistungsfähigen professionellen Werkzeuges zur 3D-Visualisierung von Waldstrukturen und deren Dynamik genutzt werden können. Diese müssen je nach gewähltem Anwendungszweck - interne Forstplanung, forstliche partizipative Planung oder waldbezogene Umweltbildung - unterschiedlichen Ansprüchen genügen. Für die "interne" Forstplanung sind die technischen Ansprüche sowie die Genauigkeit der Daten und der Ergebnisse von herausgehobener Stellung, während im Bereich der waldbezogenen Umweltbildung die Ansprüche an die Bedienerfreundlichkeit und die Realitätsnähe und eine möglichst kostengünstige Lösung wichtiger sind. Die Anforderungen an ein Modul für den partizipativen Bereich sind am größten. Hier treffen die hohen technischen Anforderungen aus der Forstplanung mit den hohen Benutzeranforderungen aus der Umweltbildung zusammen.
Momentan scheint eine Kombination der internen und der externen 3D-Visualisierung zur Erreichung aller Anwendungsziele sinnvoll zu sein. Dabei ist je nach Anwendungszweck zu entscheiden, welches Visualisierungsmodul zu verwenden ist. Sowohl für die interne Planung als auch für den Bereich der partizipativen Planung ist ein Expertensystem notwendig. Dieses muss sehr leistungsstark sein und eine hohe Flexibilität aufweisen, wenn Live-Szenarien erzeugt werden sollen. Außerdem spielen eine schnelle Datenaktualisierung und eine vielfältige Analysefunktionalität eine große Rolle. Für diese Anforderungen scheint ein GIS-interner Lösungsansatz optimal. Es sind dabei allerdings höhere Investitionen pro laufendem System (bestehend aus einer leistungsfähigen Hardware und den GIS-Lizenzen) erforderlich. Sind diese für den internen Planungsbereich getätigt, lassen sich die beschafften Systeme auch für die partizipative Planung nutzen - es bedarf hierfür also keiner zusätzlichen Systeme. Für einen Einsatz im Bereich der Umweltbildung wird eine größere Anzahl an Systemen gebraucht als für die Planungsbereiche. Hier ist eine möglichst kostengünstige (Software-)Lösung anzustreben, da der Erwerb einer größeren Anzahl von GIS-Liznenzen und der für diese benötigten leistungsfähigen Hardware in der Summe zu teuer - und somit nicht praktikabel ist. Im Bereich der Umweltbildung wird aber auch nicht die Funktionalität der GIS-internen Lösung benötigt. Hier sind keine "Profifunktionen" notwendig - der Haupteinsatz ist der Präsentationsmodus. Hier bietet sich der vorgestellte GIS-basierte Lösungsansatz (zum Erstellen der Szenarien) mit einer modifizierten Version der freien 3D-Visualisierungsumgebung Enviro (zur Präsentation der erstellten Szenarien) an.
Literarturhinweis:
- Abschlussbericht Juli 2003
- http://www.esri.com/software/arcgis/arcview/index.html
- http://www.vterrain.org
- http://www.wwk.forst.tu-muenchen.de/research/methods/modelling/silva/