Agrarforschung
Untersuchungen zur Entwicklung des Myzels und der Konidien von Uncinula necator und deren Einfluß auf die Epidemiologie
H.-H. Kassemeyer, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg im Breisgau
Mai 1995 bis April 1998
Problemstellung
Der Echte Mehltau (Uncinula necator) ist eine der wichtigsten Krankheiten der Weinrebe und muß Jahr für Jahr mit hohem Aufwand bekämpft werden. Wenn die Bekämpfung unterbleibt oder unzureichend ist, kann die Krankheit Ertrag und Qualität des Erntegutes stark beeinträchtigen. Der Echte Mehltau wird derzeit mit einer Spritzfolge bekämpft, die sich in erster Linie an den Entwicklungsstadien der Rebe orientiert. Im umweltschonenden Weinbau wird angestrebt, die Krankheit entsprechend der epidemiologischen Situation nur dann zu bekämpfen, wenn sie auftritt und sich ausbreitet.
Ziel
Schäden durch den Echten Mehltau (Uncinula necator) können nur dann vermieden werden, wenn der Pilz rechtzeitig daran gehindert wird, sich im Pflanzenbestand auszubreiten. Hierfür ist eine Bekämpfungsstrategie zu erarbeiten, die darauf beruht, den Erreger zu erfassen, bevor die Epidemie in das Ausbreitungsstadium tritt. Im vorliegenden Forschungsvorhaben wurden grundlegende biologische Parameter für eine geeignete Bekämpfungsstrategie bestimmt. Die gewonnenen Daten sollen eine Ausgangsbasis für ein Prognosemodell zu gezielten Bekämpfung des Echten Mehltaus bieten.
Methoden
Es wurde in Keimungsversuchen der zeitliche Ablauf von Keimung und Infektion des Pilzes ermittelt. Zusätzlich wurde der Anheftungsvorgang der Konidien und die Haftfähigkeit der Pilzstrukturen während des Keimvorganges untersucht. Die Latenzperiode, definiert als der Zeitraum vom Auftreffen einer Spore bis zur neuerlichen Sporulation, wurde an Blattscheiben unter kontrollierten Bedingungen bestimmt. Diese Versuche wurden außerdem an Topfreben unter Freilandbedingungen über die gesamte Vegetationsperiode hinweg weitergeführt. Aus den gewonnenen Daten wurde die Abhängigkeit der Latenzperiode von der Temperatur berechnet. In weiteren Untersuchungen wurde der Einfluss von Regentropfen auf die Infektionsstrukturen ermittelt, in dem auf definierte Stadien keimender Konidien Tropfen aufgebracht wurden.
Ergebnisse
Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen der frühen Entwicklungsstadien dokumentieren das Vorhandensein einer extrazellulären Matrix auf Konidien und an Keimschläuchen und Appressorien vor der Penetration der Wirtsoberfläche. Dieses Material an der Kontaktzone von Pilz und Oberfläche wurde sowohl auf Wirtsgewebe als auch auf Nichtwirtsgewebe (Hordeum vulgare) und artifiziellen Unterlagen beobachtet. In Adhäsionstests konnte gezeigt werden, daß die maximale Haftung der Pilzstrukturen mit der Bildung des Primärappressoriums erreicht wird und in der Folge konstant bleibt.
Die Versuche zur Länge der Latenzperiode zeigten, daß die Temperatur der bestimmende Parameter für die Entwicklungsgeschwindigkeit von U. necator ist. Unter kontrollierten Bedingungen wurde bei 10°C mit Werten zwischen 23,7 und 28 Tagen die längste Latenzperiode ermittelt. Diese verringerte sich zwischen 10°C und 17°C auf durchschnittlich 8,3 Tage. Die kürzesten Latenzzeiten wurden bei Temperaturen zwischen 17°C und 28°C bestimmt (5,6 - 7,0 Tage). Nur geringfügige Unterschiede traten zwischen den einzelnen Varianten auf. Die Latenzperiode war auf der Blattoberseite der jeweiligen Rebsorte tendenziell kürzer als auf der Blattunterseite. Unter Freilandbedingungen waren die Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten nicht einheitlich über die gesamte Vegetationsperiode hinweg. Allgemein wurde eine Verkürzung der Latenz von April (12-18 Tage) bis August (6-9 Tage) und ein Wiederanstieg der Werte auf 10-14 Tage bis Mitte September beobachtet. Parallel dazu ergab sich ein inverser Temperaturverlauf. Bezüglich der Sorten wurden signifikant kürzere Latenzperioden auf `Müller-Thurgau´ im Vergleich zu `Riesling´ bestimmt, unabhängig von der inokulierten Blattseite. Ferner bildeten sich auf der Blattunterseite unter Freilandbedingungen insgesamt häufiger Myzel und sporulierende Kolonien als auf der Blattoberseite der jeweiligen Sorte. Myzel bzw. Sporulation fand sich häufiger auf `Müller-Thurgau´ als auf `Riesling´.
Wie bei den gemessenen Daten war in der Simula-
tion eine Verkürzung der Latenzperiode von Anfang Mai bis August von 13-14 auf 7-9 Tage und ein Wiederanstieg auf Werte um 13-19 Tagen zum Ende der Vegetationsperiode zu beobachten. Im Gegensatz zu den gemessenen Daten unterschied sich die Länge der Latenzperiode hinsichtlich der inokulierten Blattseite. Kürzere Latenzen wurden auf den Blattoberseiten beider Rebsorten erhalten. Die Zusammenfassung aller gemessenen bzw. simulierten Daten unter Vernachlässigung der Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten zeigte, daß die Werte der Simulation von den tatsächlich gemessenen nicht wesentlich abweichen.
Konsequenzen für die Praxis
Aus den Keimungs- und Adhäsionsexperimenten wird deutlich, daß die morphologischen und biochemischen Ereignisse während der frühen Entwicklungsstadien von U. necator entscheidend für die Etablierung des Pilzes sind. Die Stadien, die in dieser meist nur wenige Stunden andauernden Phase durchlaufen werden, sind potentielle Ziele für den Pflanzenschutz. Verschiedene Fungizide, wie etwa Netzschwefel, entfalten in diesem Entwicklungsabschnitt ihre größte Wirkung. Die Ergebnisse zur Latenzperiode zeigen, daß die gewonnene Funktion zwischen Pilzentwicklung und Temperatur tauglich ist, um den Krankheitsfortschritt von U. necator zu simulieren. Daher ist ihre Verwendung innerhalb eines Prognosemodells angezeigt. Bei Kenntnis des ersten Auftretens von Sporen könnten die Bekämpfungsmaßnahmen vor dem Ende einer Latenzperiode (Generation) ausgeführt und damit das Befallsniveau niedrig gehalten werden, da die neugebildeten Sporen nur auf fungizidbehandeltes Pflanzengewebe treffen. Der Befallsanstieg in der Rebanlage sollte demnach so lange verzögert werden, bis die Empfindlichkeit der Beeren gegenüber Infektionen reduziert ist.
Die Ergebnisse des vorliegenden Forschungsvorhabens konnten für die Empfehlungen des amtlichen Rebschutzdienstes in Baden-Württemberg genutzt werden. Aufbauend auf die gewonnenen Erkenntnisse sind neue, wirkungsvolle Bekämpfungsstrategien entwickelt worden, die bereits in die weinbauliche Praxis eingeführt wurden.
Literaturhinweis
Abschlußbericht Juli 1998; Bedeutung der Behandlung der Blüte gegen den Echten Mehltau. Bad. Winzer (1996); Epidemiologische Untersuchungen zum Echten Mehltau. Dt. Weinbau (2000)
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