Agrarforschung
Entwicklung von Methoden zur Herstellung und Kontrolle sanitär einwandfreien Rebenpflanzgutes
Staatliches Weinbauinstitut Freiburg H.-H. Kassemeyer
Juni 1991 - Juni 1994
Problemstellung
Das Pflanzmaterial der Weinrebe wird zur integrierten Bekämpfung der Reblaus ausschließlich durch Pfropfung der Edelreissorten auf eine entsprechende Unterlage hergestellt. Dieser Vermehrungsweg birgt die Gefahr in sich, daß pfropfübertragbare Krankheiten durch infizierte Edelreiser oder Unterlagen verschleppt und ausgebreitet werden. Pfropfübertragbare Krankheiten, zu denen Virus- und Bakterienkrankheiten gehören, verringern die Leistungsfähigkeit der Rebstöcke bezüglich ihrer qualitativen Leistung und führen zu Kümmerwuchs. Wirtschaftliche Einbußen durch Qualitätsverluste beim Erntegut und verringerte Lebensdauer der infizierten Pflanzen sind die Folge. Damit diese Krankheiten wirkungsvoll eingedämmt werden, dürfen für die Vermehrung nur Unterlagen bzw. Edelreiser aus gesunden Mutterpflanzenbeständen herangezogen werden. Entsprechende Vorschriften sind in der Rebenpflanzgut-Verordnung vom Februar 1986 festgelegt. Von seiten der EU ist geplant, die sanitären Voraussetzungen von Rebenpflanzgut für alle weinbaubetreibenden Länder der Gemeinschaft einheitlich zu regeln. Hierbei ist es wünschenswert, daß die weinbaulichen Gegebenheiten von Baden-Württemberg und die Interessen der heimischen Produzenten von Rebenpflanzgut in dieser Regelung berücksichtigt werden.
Ziel
Für den umweltschonenden Weinbau des Landes ist es von großer Bedeutung, daß gesundes, leistungsfähiges Rebenpflanzgut zur Verfügung steht. Damit das Rebenpflanzgut der badischen und württembergischen Rebveredler diesen Anforderungen entspricht, müssen geeignete Methoden zum Nachweis phytopathogener Viren und Bakterien vorliegen. Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, geeignete Nachweisverfahren zu entwickeln, die es erlauben, Mutterpflanzen von Edelreis- und Unterlagensorten auf pfropfübertragbare Pathogene hin zu überprüfen. Gleichzeitig sollen die Ergebnisse der Arbeiten dazu dienen, Vorschläge für eine EU-einheitliche Regelung der sanitären Voraussetzungen an Rebenpflanzgut zu erarbeiten.
Untersuchungsmethoden
1. Grünveredelung
Mit dieser Technik wurden grüne Triebe von kranken bzw. gesunden Kontrollpflanzen auf Indikatorsorten veredelt. Die Indikatorsorten zeigen die charakteristischen Symptome der einzelnen Krankheiten, wenn sie mit infizierten Kontrollpflanzen veredelt werden. Die Ausprägung der Symptome an den Veredelungen wurden im Gewächshaus unter kontrollierten Bedingungen beobachtet und bewertet.
2. Serologische Nachweismethoden
Der serologische Nachweis von phytopathogenen Viren erfolgte mit der ELISA-Technik. Hierzu wurden Viren aus erkrankten Pflanzen gereinigt und zur Herstellung spezifischer Antikörper herangezogen. Proben infizierter, krankheitsverdächtiger und gesunder Pflanzen wurden mit Probenpuffer aufgearbeitet und mit ELISA getestet.
3. Molekularbiologische Nachweismethoden
Für den molekularbiologischen Nachweis von Viren und Bakterien wurde die PCR-Technik angewandt. Hierzu wurden die viralen bzw. bakteriellen Nucleinsäuren gereinigt und mit spezifischen Primern nachgewiesen. Die Nachweisgenauigkeit der Tests wurde mit dem Indikatorverfahren bzw. mit ELISA überprüft.
Ergebnisse
1. Grünveredelung
Mit Hilfe dieser Technik wurden folgende Viruskrankheiten untersucht:
- Blattrollkrankheit der Rebe (Grapevine leafroll associated virus Typ 1, Typ 3)
- Korkrindenkrankheit der Rebe (Grapevine virus A, B)
- Holzrunzeligkeit der Rebe (Erreger noch unbekannt)
- Fleck (Grapevine fleck virus)
- Adernnekrose (Erreger noch unbekannt)
- Adernmosaik (Erreger noch unbekannt)
- Reisigkrankheit (NEPO-Viren)
Die Auswertungen der Veredelungen ergaben, daß Korkrindenkrankheit und Fleck mit dieser Technik mit hoher Sicherheit nachzuweisen sind. Die Ergebnisse der Veredelungen mit Blattrollkrankheit, Adernnekrose und Adernmosaik zeigten, daß diese Krankheiten nicht mit der erforderlichen Genauigkeit nachzuweisen sind. Durch aufwendige Steuerung von Temperatur und Belichtung war es möglich, die Resultate beim Nachweis der Blattrollkrankheit zu verbessern. Holzrunzeligkeit konnte mit der Grünveredelung auf Indikatorsorten nicht nachgewiesen werden.
2. Serologischer Nachweis
Blattrollkrankheit und Reisigkrankheit konnten mit ELISA sicher und reproduzierbar nachgewiesen werden. Ein Vergleich mit der herkömmlichen Testmethode, dem Pfropftest mit verholztem Material, zeigte vollkommene Übereinstimmung. Der Test konnte direkt mit Preßsaft aus Blättern, Rinde oder Winteraugen durchgeführt werden. Bei Fleck, Holzrunzeligkeit, Korkrindenkrankheit, Adernekrose und Adernmosaik war der serologische Nachweis mit ELISA nicht möglich.
3. Molekularbiologischer Nachweis
Der Erreger der Mauke, das Bakterium Agrobacterium vitis , konnte mit Hilfe der PCR-Technik nachgewiesen werden. Der Nachweis erfolgte sowohl in Reben, die eindeutige Symptome zeigten, als auch in latent mit dem Erreger infizierten Pflanzen. Allerdings zeigte sich, daß die Bakterien aus dem Pflanzenmaterial erst über ein Kulturverfahren angereichert werden mußten. Hierfür wurde eine Methode entwickelt, bei der die Bakterien über Antikörper aus dem Pflanzensaft isoliert werden.
Konsequenzen für die Praxis
Die Untersuchungen ergaben, daß Reisigkrankheit und Blattrollkrankheit mit ELISA sicher nachgewiesen werden können. Mit dieser Methode können bis zu 200 Proben innerhalb von 24 Stunden getestet werden. Sie bietet dem Pflanzguterzeuger die Möglichkeit, in kurzer Zeit größere Partien an Mutterpflanzen zu testen. Hierdurch entsteht bei Aufbau von Vermehrungslinien keine unzumutbare zeitliche Verzögerung. Daher ist vorgesehen, den serologischen Nachweis von Reisigkrankheit und Blattrollkrankheit bei der sanitären Kontrolle von Rebenpflanzgut zu verwenden.
Korkrindenkrankheit und Fleck sind mit der Grünveredelung nachweisbar. Dies führt gegenüber der seitherigen Methode zu einer Beschleunigung des Testverfahrens. Allerdings erfordert sie einen technischen Aufwand bei der Herstellung der Veredelungen.
Holzrunzeligkeit, Adernnekrose und Adernmosaik lassen sich entweder nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten nachweisen. Solange keine sicheren Nachweismethoden vorliegen, ist es nicht sinnvoll, diese Krankheiten im Rahmen der sanitären Kontrolle von Rebenpflanzgut zu berücksichtigen. Hinzu kommt, daß bisher keine Schäden beobachtet wurden, daher sollten sie in die derzeit vorbereitete EU-Verordnung nicht aufgenommen werden.
Die Mauke läßt sich mit Hilfe der molekularbiologischen Technik (PCR) nachweisen, dieser Nachweis ist aber langwierig und erfordert eine entsprechende Ausrüstung. Dennoch können mit dieser Methode infizierte Mutterpflanzen sicher erfaßt werden.
Mit dem vorliegenden Projekt konnten Kriterien für ein zukünftiges Vorgehen bei der sanitären Kontrolle von Rebenpflanzgut erarbeitet werden. Hierdurch können unnötige Testverfahren, die langwierig oder unsicher sind, vermieden werden. Ein Teil der Ergebnisse, insbesondere bezüglich des serologischen Nachweises der Blattrollkrankheit, konnte bereits Eingang in die sanitäre Kontrolle von Rebenpflanzgut in Baden-Württemberg finden.
Literatur:
Abschlußbericht 1994
Serologische Charakterisierung von Closteroviren der Weinrebe, Phytomedizin 25, 15-16 (1995)
Fördernde Institution: MLR |
Förderkennzeichen: 25 - 91 . 19 |