Agrarforschung
Gruppenhaltung von Kälbern in Außenhütten
Fachhochschule Nürtingen
Th. Richter, Bettina Egle, Claudia Schmid und Sabine Stier
1992 - 1994
Problemstellung
Grundsatz der Tierhaltung soll es sein, den Tieren eine Umwelt zu bieten, die ihren arttypischen Ansprüchen genügt. Grundsatz menschlichen Wirtschaftens muß die Erzielung eines angemessenen Einkommens darstellen. Landwirtschaftliche Tierhaltungssysteme müssen beiden Ansprüchen genügen, um im Sinne eines ethisch motivierten Tierschutzes und im Sinne der Wirtschaftlichkeit der bäuerlichen Betriebe akzeptabel zu sein.
Die Kälberhaltungsverordnung vom 1. Dezember 1992 (BGBl I S. 1977) erlaubt die Kälberhaltung in Einzelboxen unter bestimmten Voraussetzungen und in der Regel bis zu einem Alter von acht Wochen. Bei der Haltung der Kälber in Einzelboxen kann jedoch der Bewegungsbedarf der Kälber nicht ausgelebt werden. Erkunden und Spielen sind nahezu unmöglich, Sozialpartner nicht erreichbar. In Warmställen ist durch das Klima mit hohen Konzentrationen an Schadgasen und Krankheitserregern die Krankheitsanfälligkeit der Kälber sehr hoch (nach Damm, 1993, 12 % Verluste).
Iglus und Einzelhütten bedingen eine wesentlich geringere Krankheitsanfälligkeit (nach Damm, 1993, 1-3 % Verluste), weisen jedoch einen hohen Arbeitszeitbedarf auf (Haidn und Auernhammer, 1992) und sind wegen der Einzelhaltung wenig verhaltensgerecht.
Ziel
Zu entwickeln war ein Haltungsverfahren für Kälber, das die Vorteile der Gruppenhaltung und die Bewegungsmöglichkeit im Laufhof mit möglichst günstigen Baukosten und möglichst geringer Arbeitsbelastung kombiniert.
Untersuchungsmethode
In einem Laufhof wurde auf dem Versuchsgut der Fachhochschule Nürtingen im Februar 1993 zunächst eine Hütte von 4 x 2,3 m in Eigenleistung erstellt. Drei Wände und die Decke bestanden aus einer doppelten Bretterschalung mit Isolierung aus 12 cm Hyperlite Schüttung. Parallel zur Längswand verlief ein Lauf- und Kotgang von einem Meter Breite. An den Laufgang schloß sich eine Liegefläche mit 3 % Gefälle an. Sie war gegen den Untergrund isoliert und durch herabhängende Gummimatten in 6 Liegeboxen von 0,65 m Breite und 1,3 m Länge eingeteilt. Es wurde mit ca. 0,25 kg gehäckseltem Stroh je Box und Tag nachgestreut. Eine der Liegeboxen war mit Meßgeräten belegt, die anderen standen den Kälbern zur Verfügung. Die vierte Wand wurde anfänglich von einem Kunststofflamellenvorhang gebildet. Der Vorhang sollte die Liegefläche in einen Kopf- und Körperraum teilen. Da jedoch die Kälber entgegen der ursprünglichen Erwartungen den Lamellenvorhang nur selten nutzten, um den Kopf ins Freie zu legen (1,1 % der Liegeereignisse), wurde dieses relativ teure Bauelement im Frühjahr 1994 durch eine Wand aus einem Windbrechnetz ersetzt. Die Tür bestand aus einem Lamellenvorhang.
Im September 1993 wurde im gleichen Laufhof eine weitere Hütte eingerichtet. Die offene Hütte hatte die gleichen Grundmaße und die gleiche isolierte Liegefläche mit gleichen Abgrenzungen, jedoch bestanden Wände und Decke nur aus einer hölzernen Schalung und eine Seite war vollständig offen.
Als dritte Variante wurde beginnend im September 1994 eine überdachte Liegefläche gewählt, bei der drei Wände aus Windbrechnetz bestanden, während eine Wand offen war. Die Abmessungen und die Inneneinrichtung dieser Windbrechnetzhütte entsprachen wiederum den Gegebenheiten in den beiden anderen Hütten. In jeder der drei Hütten stand jedem Kalb von September 1994 bis Januar 1995 eine Liegefläche zur Verfügung.
Luftfeuchte, Lufttemperatur und Luftbewegung wurde innerhalb der isolierten Hütte und im Freien aufgezeichnet.
Zur Beobachtung der Tiere waren 4 Videokameras installiert. Aufnahmen bei Nacht wurden durch Sparbeleuchtung ermöglicht. Die Auswertung erfolgte nach der Zeit-Teil-Methode.
Beobachtet wurden 8 Gruppen von je 5 Tieren der Rasse Deutsches Höhenfleckvieh. Bei der Einstallung waren die Tiere zwischen 5 und 20 Tagen alt. Sie wurden bis zu einem Alter von mindestens 12 Wochen in der Versuchanlage gehalten.
Ergebnis
Die Gruppenhaltung von Kälbern in Außenhütten ist ein tiergerechtes Verfahren. Da die Hütten für kleine und große Tierzahlen preisgünstig zu erstellen sind und da sowohl die Entmistung als auch die Tränkeverabreichung mechanisierbar sind, ist sie auch ökonomisch attraktiv.
Erst durch Wahlversuche konnten die tatsächlichen Ansprüche der Kälber an die Haltungsbedingungen konkretisiert werden. Die kleinen Kälber ruhten im Winter 1993/94 lieber in der isolierten Hütte. Am Ende der Tränkeperiode zogen sie auch bei niedrigen Außentemperaturen die offene Hütte vor. Entgegen der ursprünglichen Erwartung und entgegen der Beobachtungen vom Vorjahr, konnte dieser altersabhängige Unterschied im Verhalten während des Winters 1994/95 nicht festgestellt werden. Auch bei niedrigen Außentemperaturen benutzten die Kälber zu einem hohen Prozentsatz die Windbrechhütte zum Ruhen.
Auf einem Praxisbetrieb wurde für 5 Fresser ein "Stall" erstellt, der ebenfalls keine festen Wände mehr besaß. Er wies bei einer offenen Front drei Wände aus Windbrechnetz auf. Um einen teilweise überdachten Laufhof darzustellen, wurde ein Teil der Trapezblechplatten des Daches weggelassen. Durch die Überdachung fällt weniger Regenwasser an, das über die Gülle entsorgt werden muß.
Auch diese Tiere entwickelten sich durchweg sehr positiv. Sie demonstrierten eindrucksvoll, daß der bisherige Stallbau mehr an der Vorstellung der Menschen, als an dem Bedarf der Tiere orientiert ist. Durch die Reduktion des Stalles auf eine wärmegedämmte und niederschlags- sowie windgeschützte Liegefläche, wird den Ansprüchen der Tiere Rechnung getragen und für die Landwirte die Möglichkeit großer Kostenersparnis geboten. Die Gesundheit der Tiere wird durch diese Haltungsform gefördert.
Konsequenz für die Praxis
Eine Isolierung von Wand und Decke ist entbehrlich.
Für ganz kleine Kälber sollten bei extrem tiefen Temperaturen und/oder extrem starkem Sturm drei Wände massiv und die offene Front mit einem Windbrechnetz geschlossen sein. Der Windschutz sollte so angebracht werden, daß er aufrollbar ist oder sonstwie entfernt werden kann.
Für Kälber und ältere Rinder ab einem Gewicht von etwas 85 kg, bis hin zur Milchkuh, ist dieser Schutz nicht mehr nötig, sie können in Anlagen untergebracht werden, bei denen lediglich eine gegen den Untergrund isolierte Liegefläche nach oben gegen Niederschlag und zur Seite mit einem Netz gegen starken Wind geschützt ist.
Literatur:
Abschlußbericht 1995
Abschlußbericht als Kurzzusammenfassung
Fördernde Institution:MLR |
Förderkennzeichen: 27 - 92 . 34 |