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Agrarforschung

Varroatose - Kontrolle mittels Hyperthermie
(biotechnische Milbenbekämpfung)

Universität Tübingen, Zoologisches Institut, Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie
Prof. Dr. Wolf Engels                                                        
1994 - 1996  (hier: Zwischenbericht 1994)

Problemstellung

In Mitteleuropa hat sich seit Ende der 70er Jahre die eingeschleppte Bienenmilbe Varroa jacobsoni rasch ausgebreitet. Etwa seit 1985 sind in Baden-Württemberg sämtliche Bienenstände von der Varroatose betroffen. Wie frühere Untersuchungen ergaben, kommt es ohne Kontrollmaßnahmen innerhalb von ca. 3 Jahren nach Infektion mit Varroa -Milben zum Zusammenbruch des Bienenvolkes.

Seither muß eine flächendeckende Behandlung aller Bienenvölker durchgeführt werden. Es werden dabei vor allem Akarizide eingesetzt, in der Bundesrepublik sind mehrere Präparate zugelassen, und die Chemotherapie hat sich im Prinzip als wirksames Bekämpfungsverfahren bewährt. Allerdings ist der Einsatz dieser Mittel mit einer Reihe Nachteile verbunden: Es bestehen bei nicht sachgemäßer Anwendung gesundheitliche Gefahren für den Imker, es können sich erhebliche Rückstände besonders im Wachs, aber auch im Honig bilden und die Milben entwickeln nach einiger Zeit eine Resistenz gegenüber dem eingesetzten akariziden Wirkstoff; letzteres ist inzwischen in Italien, Frankreich und Spanien festgestellt worden. Dazu kommt der nicht unbeträchtliche Arbeits- und Kostenaufwand für die jährlich meist mehrfach durchgeführte Chemotherapie.

Die Entwicklung sogenannter biotechnischer Methoden der Varroatose-Kontrolle zeigt einen aussichtsreichen Weg in diese Richtungen auf. In Tübingen wurde die Hyperthermie als ein derartiges Verfahren ermittelt.

Ziel

Erprobung des Hyperthermie-Verfahrens unter Bedingungen der imkerlichen Praxis, Ermittlung eines optimalen Behandlungsschemas und des Zeitaufwandes, Erarbeiten von Anweisungen für den Einsatz des neuen Kontroll-Verfahrens.

Untersuchungsmethode

Grundlage des Hyperthermie-Verfahrens ist der Befund, daß Varroa -Milben gegenüber erhöhten Temperaturen empfindlicher sind als Honigbienen. In Vorversuchen haben wir ermittelt, daß eine Überwärmung verdeckelter Brutwaben, von denen die adulten Bienen abgefegt wurden, sämtliche in der Bienenbrut befindliche Milben abtötet, jedoch die Bienenbrut selbst kaum schädigt. Es wurde ein Gerät entwickelt (Apitherm-Schrank, Fa. Devappa, Kelheim), mit dem eine Wärmebehandlung programmgesteuert durchgeführt werden kann.

Ergebnis

Im Jahre 1994 haben wir mit ca. 50 Völkern an 5 Ständen Hyperthermie-Versuche durchgeführt. Hier soll schwerpunktmäßig über den Erfolg einer Wärmebehandlung im Frühjahr berichtet werden. Sie soll in Verbindung mit ohnehin notwendigen imkerlichen Eingriffen am Bienenvolk durchgeführt werden. Als erfolgreich betrachten wir diese Maßnahme dann, wenn in der anschließenden Trachtsaison die Milbenzahl im Volk so gering bleibt, daß weder die Entwicklung noch die Leistung davon beeinträchtigt werden können.

Es zeigte sich, daß in dem recht kühlen Frühjahr 1994 an den meisten Standplätzen erst Anfang Mai der optimale Hyperthermie-Termin gegeben war. Zu diesem Zeitpunkt hatte die von der ersten Obsttracht stimulierte Aufwärtsentwicklung aller Völker eingesetzt. Der Brutraum umfaßte 2 Zargen. Es konnten 5 - 10 Waben mit überwiegend verdeckelter Brut für die Hyperthermie ausgewählt werden. Dies erfolgte bei einer Routine-Durchsicht der Völker unmittelbar vor dem Aufsetzen von 1 - 2 Honigräumen. Als Beispiel soll hier das Volk 20 auf dem Versuchsstand Ammerhof angeführt werden.

Ab Ende März/Anfang April wurde bei allen Versuchsvölkern der Milben-Abfall auf die eingeschobenen Varroa -Gitter, 25 x 25 cm große weiße Plastik-Einlagen, wöchentlich einmal ausgezählt. Bei Volk 20 wurde im Laufe des Monats April ein Anstieg des durchschnittlichen täglichen Milbenabfalls von 10 auf 30 Varroa -Weibchen ermittelt. Am 3.5. wurden 7 Waben wärmebehandelt. In den folgenden Tagen stieg der Milben-Abfall sprunghaft auf über 110 Milben pro Tag an. Im Verlauf von 2 - 3 Wochen nach der Wärmebehandlung sank er dann auf äußerst geringe Werte ab, nämlich ca. 1-2 Milben/Tag. Auf ähnlich niedrigem Niveau blieb der Milben-Abfall während der gesamten Trachtperiode bis Ende Juni.

Vor und nach der Hyperthermie verhielten sich die Zahlen der abgefallenen Varroa -Weibchen also etwa wie 25 : 1. Wenn wir davon ausgehen, daß diese Zahlen den jeweils aktuellen Parasitenbefall widerspiegeln, und daß nach Erfahrungswerten aus früheren Jahren im Frühjahr ungefähr 100 - 200 x so viele Milben im Volk vorhanden sind wie abfallen, dann läßt sich daraus folgende Hochrechnung ableiten:

  1. Unmittelbar vor der Wärmebehandlung dürften im Volk 20 ca. 2 - 3.000 adulte Varroa -Weibchen vorhanden gewesen sein.
  2. Nach 3 Wochen, also zum Zeitpunkt, an dem nach der Hyperthermie wieder ein gleichmäßiges Niveau des Milben-Abfalls erreicht wurde, waren es nur noch ca. 150 erwachsene Milben.
  3. Durch die einmalige Wärmebehandlung sind hier offensichtlich etwa 90 % der adulten Milben-Weibchen abgetötet worden.

Dieses außerordentlich günstige Ergebnis konnte zwar nur bei wenigen Völkern erzielt werden, bei denen zum Zeitpunkt der Hyperthermie ein relativ hoher Anteil der Brut verdeckelt war und wohl den Großteil der Milben-Population enthielt. Nach dem oben vorgestellten Muster durchgeführte Berechnungen ergaben für die meisten Völker jedoch, daß etwa 2/3 bis 3/4 der adulten Milben durch eine einmalige Wärmebehandlung im Frühjahr eliminiert werden können. Wenn dies unmittelbar vor der starken Erweiterung durch Aufsetzen der Honigräume für die Honigtracht geschieht, ist der Arbeitsaufwand relativ gering. Die Hyperthermie zu diesem Zeitpunkt gewährleistet, daß die Bienenvölker in der Haupttracht nicht unter Parasitendruck stehen, was bei Volk 20 z.B. auch durch die bis Ende Juni erreichte Volkstärke von ca. 35-40.000 Bienen bei 3 vollen Brutzargen belegt wurde.

Konsequenzen für die Praxis

Mit dem Hyperthermie-Verfahren steht nunmehr eine rein biotechnische Methode der Varroatose-Kontrolle zur Verfügung. Die Anwendung in der imkerlichen Praxis und insbesondere die notwendige Vermeidung von Nebenwirkungen auf das Bienenvolk müssen jedoch noch eingehend untersucht werden, bevor das neue Verfahren allgemein empfohlen werden kann. Die hierfür erforderlichen Versuche sind für 1995 und 1996 vorgesehen.

 

Literatur:
Zwischenbericht 1994

 

Fördernde Institution:MLR

Förderkennzeichen:    35 - 93 . 15




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