Agrarforschung
Verfahrenstechniken und ökonomische Bewertung von
Bodenpflegemaßnahmen im Obstbau
Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik, Verfahrenstechnik für Intensivkulturen
Johannes Himmelsbach
April 1991 - März 1994
Problemstellung
Der langjährige Einsatz von herbiziden Wirkstoffen ist aus ökologischer Sicht auch im Obstbau nicht ohne negative Folgen geblieben. Seit einigen Jahren werden vielerorts alternative Verfahren zur chemischen Unkrautbekämpfung getestet. Bisherige Erfahrungen und Ergebnisse sind zum Teil widersprüchlich und reichen für eine umfassende Bewertung der Verfahren nicht aus, da sie sich in der Regel auf bestimmte Teilaspekte beschränken. Dabei wird die Wirtschaftlichkeit größtenteils vernachlässigt.
Ziel
Der "Komplex" Bodenpflege sollte an einem Standort unter einer interdisziplinären Versuchsanstellung betrachtet werden, wobei verfahrenstechnische, bodenkundliche, pflanzenbauliche und ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden sollten. Für den Fall, daß der völlige Herbizidverzicht angestrebt bzw. gesetzlich auferlegt wird, sollten vor allem der Praxis umfangreiche Informationen zu diesem Themenbereich zur Verfügung gestellt werden.
Untersuchungsmethode
In einem Feldversuch wurden alternative Verfahren der Baumstreifenpflege auf ihre technische Realisierbarkeit und die Eignung zur Unkrautregulierung hin untersucht. Es handelte sich um mechanische und ein thermisches Verfahren, um Mulchverfahren (Abdecken mit organischen und synthetischen Materialien) sowie um eine Kombination von mechanischer Bearbeitung mit Einsaat des Baumstreifens im Spätsommer. Einflüsse der Verfahren auf den Boden wurden über die Parameter Wassergehalt, Temperatur und Nitratkonzentration bestimmt, daneben fanden auch Standard-Bodenuntersuchungen statt. Die Entwicklung der Bäume wurde anhand der Mineralstoffversorgung der Blätter, des Baumwachstums und der Ertragsleistung beurteilt. Der Arbeitszeitbedarf wurde ermittelt, um darauf basierend einen ökonomischen Verfahrensvergleich durchzuführen.
Ergebnis
- Der Einsatz moderner und neuentwickelter Gerätetechnik zur mechanischen Bearbeitung (Unterschneidegerät, Rotorkrümler) war vor allem durch eine starke Witterungsabhängigkeit gekennzeichnet. Der unmittelbare Bereich um den Baumstamm konnte nicht nachhaltig freigehalten werden, so daß zusätzliche Maßnahmen notwendig waren. Die thermische Behandlung des Baumstreifens mit einem Infrarotgerät erforderte aufgrund der geringen Wirkung eine Vielzahl von Arbeitsgängen. Das Abdecken mit verschiedenen Folien unterdrückte den Bewuchs gut, doch wurde das Material schnell beschädigt, und die Gefahr der Mäuseansiedlung stellte sich als Problem heraus. Organischer Mulch mit Stroh oder Rinde regulierte die Begrünung des Baumstreifens für eine gewisse Zeit, danach mußten zusätzlich Herbizide eingesetzt werden.
- Die Messung des volumetrischen Bodenwasser-gehaltes zeigte, daß alle Verfahren im Vergleich zur Kontrolle (Herbizid) für feuchtere Bedingungen sorgten. Die deutlich höchsten Gehalte ergaben sich bei den Mulchvarianten. Die Bodentemperatur verlief in den mechanisch, thermisch und chemisch offen gehaltenen Baumstreifen sehr einheitlich. Signifikant höhere Werte wurden bei den synthetischen Materialien (Folien) vor allem im Sommer in 20 und 40 cm Tiefe gemessen. Organischer Mulch sorgte für den insgesamt ausgeglichensten Verlauf der Bodentemperatur, was bis August tiefere und danach höhere Werte als bei Offenhaltung bedeutete.
- Die Nitratkonzentration der Bodenlösung war nach einer mechanischen Bearbeitung teilweise stark erhöht, wobei dieser Effekt besonders deutlich beim Einsatz des Unterschneidegerätes hervortrat. Ebenso konnte bei den Folienvarianten eine insgesamt höhere Nitratmineralisation gegenüber der Herbizidanwendung festgestellt werden. Entsprechend wurden diese Ergebnisse bei den Standard-Bodenuntersuchungen durch eine Abnahme an organischer Substanz und Gesamtstickstoff bestätigt. Die Einsaat des Baumstreifens im Spätsommer reduzierte die zuvor durch die mechanische Bearbeitung erhöhten Nitratwerte auf ein Minimum, so daß im Herbst bei dieser Variante die niedrigste Konzentration in der Bodenlösung vorhanden war. Auf einem niedrigen Niveau während der ganzen Vegetationsperiode bewegten sich die Nitratkonzentrationen bei den Verfahren mit organischen Mulchmaterialien. Der pH-Wert des Bodens wurde durch Rinde konstant gehalten, alle anderen Verfahren sorgten für eine gleichmäßige Absenkung. Die Phosphor- und Magnesiumgehalte unterschieden sich nicht deutlich, Kalium war dagegen in der Strohparzelle bis auf das Dreifache erhöht.
- Die Blattanalysen ergaben bei allen Varianten sortenabhängige Stickstoffgehalte im optimalen Bereich, bis auf die Rindenabdeckung, deren Werte im zweiten Jahr tiefer lagen. Die Kalium-, Magnesium- und Calciumgehalte zeigten keine bedeutenden Unterschiede zwischen den einzelnen Verfahren. Bei den Phosphorgehalten waren die Blätter der Rindenparzellen deutlich besser gestellt.
- Der Einfluß der Bodenpflegeverfahren auf die vegetative und generative Entwicklung der Bäume ließ sich innerhalb der relativ kurzen Versuchsdauer nur schwer herausstellen. Zudem bestimmten 1993 Blütenfröste und Alternanz das Ertragsverhalten und somit die Baumentwicklung maßgeblich. Die Ergebnisse können nur unter gewissen Vorbehalten betrachtet werden. In der Junganlage wurde durch die Rindenabdeckung das vegetative Wachstum am stärksten gefördert, die Erträge waren jedoch am geringsten. Folienmulch sorgte umgekehrt für reduziertes Baumwachstum gegenüber der Herbizidvariante und gleichzeitig für die höchsten Erträge. Stroh konnte ebenfalls die Ertragsleistung steigern, während die Infrarotbehandlung leichte Einbußen verursachte. Die mechanische Bearbeitung mit dem Rotorkrümler hemmte die vegetative Entwicklung am deutlichsten, wobei Auswirkungen auf den Ertrag nicht ermittelt werden konnten. In der Ertragsanlage zeichneten sich nach der Umstellung von Herbizideinsatz auf mechanische oder thermische Bodenpflege Ertragsrückgänge ab, während das Begrünen des Baumstreifens mit Mulchgras und das Abdecken mit Gewebefolie zu höheren Erträgen tendierten.
- Die Kontrolle (Herbizid) hatte von allen Verfahren den mit Abstand geringsten Arbeitszeitbedarf. Bei der mechanischen Bearbeitung war entscheidend, ob für das Freihalten des Stammbereichs zusätzlich Herbizide eingesetzt werden konnten, oder ob diese Maßnahme durch aufwendige Handarbeit erfolgte. Die Infrarotbehandlung beanspruchte in jedem Fall viel Arbeitszeit, das Mulchen mit Folie lag vergleichsweise niedrig. Organischer Mulch sorgte vor allem dann für einen hohen Arbeitszeitbedarf, wenn das Material betriebseigen beschafft wurde.
- Alternative Verfahren verursachen deutlich höhere Kosten als der herkömmliche Herbizideinsatz, wobei der Bewertung der Arbeitszeit eine bedeutende Rolle zukommt. Deshalb können bei geringem Wertansatz die verfahrensspezifischen Kosten der mechanischen Bearbeitung noch relativ niedrig gehalten werden, während die Mulchverfahren grundsätzlich mit hohen Materialkosten belastet sind. Wird beispielsweise Rindenmulch als marktgängige Ware bezogen, führt dies zu den höchsten Kosten überhaupt. Nur wenig günstiger liegt die Infrarotbehandlung, die neben den Arbeits- auch hohe Gaskosten verursacht. Entsprechend den Kosten erfordert von den alternativen Verfahren die mechanische Bearbeitung die niedrigsten Gleichgewichtserträge, um die Wirtschaftlichkeit der chemischen Unkrautbekämpfung zu erreichen. Bei der thermischen Baumstreifenpflege und der Verwendung von teuer eingekauftem Rindenmulch sind demnach die höchsten Mehrerträge notwendig. Das Abschätzen der tatsächlichen Ertragsbeeinflussung durch die einzelnen Verfahren gestaltet sich äußerst schwierig und bedarf einer wesentlich größeren Datengrundlage.
Ausblick für die Praxis
Insgesamt betrachtet stellen derzeit mechanische Verfahren die praktikabelsten Alternativen zum Herbizideinsatz dar, wobei von wirtschaftlichen Einbußen ausgegangen werden muß. Die zusätzliche Einsaat im Spätsommer kann als sinnvolle Ergänzung angesehen werden. Ein leistungsfähigeres Infrarotgerät sowie eine geeignete Verlegetechnik zur Folienablage in bereits gepflanzten Baumreihen haben keine Marktchancen, solange Herbizide noch eingesetzt werden dürfen. Zudem wird sich bei Folien zukünftig die Entsorgungsproblematik weiter verschärfen. Organischer Mulch kann Herbizide reduzieren, aber nicht vollständig ersetzen. Hier geht es vielmehr um eine die chemische Unkrautbekämpfung ergänzende Maßnahme zur Verbesserung des Bodenwasserhaushaltes.
Literatur:
Abschlußbericht Januar, 1995
Fördernde Institution: MLR |
Förderkennzeichen: 24 - 91 . 3 |