Page 27 - Heft_3_2022_Biodiversität
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Biodiversität





         Sommerbeweidung – Vorteile für den
         Weinbau
       Für Winzer:innen interessanter ist jedoch die
       Beweidung während der Vegetationszeit.
       Rebblätter werden von den Schafen gerne ge-
       fressen. Die jungen, grünen Beeren sind in
       den Monaten Juni bis August allerdings hart
       und sauer und werden von den Schafen ver-
       schmäht. Dieses Phänomen wird bei der ge-
       zielten Entblätterung der Traubenzone ge-
       nutzt, um überzählige Blätter um die Trauben   zu einer geringeren Blütenhäufigkeit führt, da   Abbildung 2: Bildunterschrift:
                                                                                         Schaf der Rasse Ouessant, auch
       zu fressen. Es entsteht ein besseres Mikrokli-  Schafe die Blüten fressen, aber nicht zu gerin-  Bretonisches Zwergschaf genannt,
       ma und kommt zu weniger Pilzbefall. Ent-  gerer Bienenhäufigkeit und –vielfalt. Zurück-  beim Abfressen der Blätter um die
       scheidend für die erfolgreiche Sommerbewei-  zuführen ist das vermutlich auf die Schaffung   unreifen Trauben; Quelle: Jakob
                                                                                         Hörl
       dung ist die Wahl der geeigneten Schafsrasse,   von neuen Habitatstrukturen. Feldgrillenar-
       damit diese bis max. 1,20 m in die Laubwand   ten profitieren ebenfalls von der Beweidung.
       frisst. Die Untersuchung von ca. 30 derzeit in   Langfristige Effekte, wie erhöhte Humusbil-
       europäischen Weinbergen eingesetzten     dung, Speicherung von Kohlenstoff sowie
       Schafsrassen ergab, dass sich nur drei (Sh-  höhere Wasserspeicherfähigkeit  im Boden,
       ropshire, Ouessant und Southdown) als emp-  sind mit dem Fortschreiten der Beweidung zu
       fehlenswert  erweisen. Alle  anderen  Rassen   erwarten.
       besitzen die Fähigkeit zum Zweibeinstand
       und fressen damit zu hoch und unkontrollier-
       bar.                                       Großes Interesse am Projekt und
                                                  Vermarktungspotenzial
       Beispielhaft benötigte die Traubenzonenent-
       blätterung einer 0,5 ha Versuchsfläche mit 15   Derzeit nehmen die praktizierenden   Bild 3: Jakob Hörl und Dr. Nicolas
       Shropshire Schafen 11 Tage und einen zeitli-  Winzer:innen den zusätzlichen Aufwand aus   Schoof bei der Entgegennahme
       chen Arbeitsaufwand von 41 AKh/ha. Für   eigener Überzeugung und hoher Motivation   des Ursula Hudson Preises von
                                                                                         Slow Food. Quelle: Marion Hunger
       die herkömmliche Entblätterung von Hand   auf sich. Viele versprechen sich durch den
       waren auf einer angrenzenden Vergleichsflä-  Einsatz von Schafen interessante Möglichkei-
       che 50 AKh/ha notwendig und kostete ca.   ten für die Vermarktung ihres Weins und sind
       600 €/ha. Bemerkenswert ist, dass die Schafe   von der positiven Wirkung auf die Rebflä-
       nebenbei weitere weinbauliche Arbeitsschrit-  chen überzeugt. Auch im Projekt wurde ei-
       te durchführten: Abfressen der Begleitvegeta-  gens ein „Schafswein“ angefertigt, dessen
       tion, Entfernung von unerwünschten Stock-  Verkaufstest zeigte, dass Kundinnen und
       ausschlägen und leichte Bodenpflege im Un-  Kunden bereit waren durchschnittlich 20%
       terstockbereich.  Für  diese  Arbeitsschritte   mehr für einen Wein, welcher durch Mitwir-
       fielen auf den Vergleichsflächen weitere 35   ken von Schafen erzeugt wurde, zu bezahlen.
       AKh/ha an. Zusätzlich wurden durch die
       Schafe wertvolle Mikrohabitate in Form von   Im Juni 2022 gewann die Projektgruppe den
       Dunghaufen und Offenbodenstellen geschaf-  Ursula Hudson Preis von Slow Food Deutsch-
       fen.                                     land e.V. und wurde aus rund 80 Einreichun-
                                                gen ausgewählt. Der Preis ehrt Menschen für
                                                ihren erfolgreichen Beitrag zur Transformati-
         Vorteile für Ökologie und Biodiversi-  on unseres Ernährungssystems.
         tät im Weinberg
                                                 Für die weitere Verbreitung der Schafbewei-
       Wiederkäuer stärken ökologische Prozesse,   dung im Weinbau, samt den skizzierten öko-
       die von Mensch oder Maschine nur schwer   logischen Vorteilen, ist zukünftig die Ausge-
       substituierbar sind. So konnten nach nur 2   staltung von passenden agrarpolitischen För-  Jakob Hörl
       Jahren auf den Versuchsflächen über 20 un-  derinstrumenten notwendig. Damit kann die   Projektmanager
       terschiedliche Dungkäferarten identifiziert   Schafbeweidung von Rebflächen (wieder) ein   Win-Win im Weinberg
       werden; 6 davon auf der Roten Liste. Die   ökologisch zielführender Baustein für eine   Hochschule Rottenburg
       Untersuchung von Wildbienenarten an Früh-  zukunftsweisende Bewirtschaftung von   Tel.: 0761 / 40165-1204
       jahrsblühern zeigte, dass die Beweidung zwar   Weinbergen werden.                hoerl@hs-rottenburg.de



       Landinfo 3/2022                                                                                       27
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